Wie ein Plastikregenschirm zum Leben erwacht
Die Japaner kaufen so viele Regenschirme wie keine andere Nation. Rund 130 Millionen sind es jährlich. 90 Prozent davon sind aus China importierte, durchsichtige Regenschirme aus Plastik, die man in jedem Minimarkt für gut 100 Yen billig erwerben kann. Berühmt wurde dieser Schirm im Westen durch Sofia Coppolas Kultfilms «Lost in Translation». Scarlett Johansson schlendert darin mit dem Plastikschirm in der Hand durchs verregnete Tokio.
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So kultig die Plastikregenschirme für touristische Augen sein mögen, so verzichtbar sind sie für die Japaner. Kein anderes Gut wird so viel in Zügen und an Bahnhöfen liegen gelassen. Für die Bahnhofsangestellten und die Polizei bereitet diese Nachlässigkeit eine Unmenge an Arbeit. Jeder einzelne gefunden Regenschirm muss als Fundgegenstand registriert werden.
Um gegen diese Wegwerfmentalität vorzugehen, haben bereits Schirmhersteller wie Sumihisa Iida Verkausveranstaltungen organisiert, an denen Schirme bezüglich der Farbe und Grösse an die Kundenwünsche angepasst und zu einem stolzen Preis erworben werden können (Asienspiegel berichtete).
Malen nach Lust und Laune
Nun hat das «Joban Art Umbrella»-Projekt die Individualisierung dieser farblosen Gegenstände noch ein Stück weitergetrieben. An einer Tokioter Bahnhofsstation hat Künstler Ken Sobajima den Passanten die Möglichkeit gegeben verwaiste Regenschirme mit wasserfesten Filzstiften zu bemalen und mitzunehmen.
Zwar durfte das Joban Art Umbrella»-Projekt nur rund 200 verlorene Regenschirme dafür verwenden, Sobajima zeigte sich dennoch erfreut: «Klar ist das eine unbedeutende Zahl. Darum geht es aber gar nicht. Heutzutage haben die Menschen kein Problem damit einen Regenschirm liegen zu lassen oder wegzuwerfen. Bemalt man den Schirm jedoch, wird ein Abfallprodukt plötzlich zu einer Eigenkreation. Und so etwas lässt man nicht einfach so im Zug liegen.»
Einzig der Regen fehlte
Viele der Teilnehmer waren Kinder:«Dieses Projekt ist eine gute Art den Kindern den Wert des Recyclings zu lehren», sagte eine Mutter gegenüber der Asahi Shimbun, zeigte sich aber gleichzeitig etwas eingeschüchtert vor soviel Gekritzel: «Um ehrlich zu sein, ich weiss nicht, ob ich den Mut hätte mit einem solchen Schirm zum Supermarkt zu gehen.»
Die 27-jährige Teilnehmerin Yoshimi Nakayama sieht dieses Projekt eher von der spirtuellen Seite: «Wenn Objekte einen Geist haben, so konnte dieser Schirm nicht glücklich sein. Nun, da ich den Schirm bemalt habe, habe ich ihn zum Leben erweckt.»
Ken Sobajima selbst zeigte sich erfreut über das Projekt. Einzig an Regen fehlte es an diesem Tag: «Ein bisschen Regen wäre besser gewesen. So hätten die Teilnehmer ihr Werk gleich benutzen können.»
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