Japans Skandalgesellschaft
Bill Clinton überstand einen Sexskandal und eine Immobilien-Affäre mit einer Zustimmungsrate von 66 Prozent. Nicolas Sarkozy überstand die sogenannte Clearstream-Affäre, in der er wegen fälschlicherweise des Betruges beschuldigt wurde und wurde gar noch Präsident. Bei Italiens Premierminister Silvio Berlusconi ist der Skandal um Geld und Frauen fast schon zum Alltag geworden, ohne dass er dabei gross an Zustimmung verliert.
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In Japan tickt die politische Welt anders. Nur 9 Monate nach dem vielversprechenden Wahlsieg der DPJ musste Yukio Hatoyama seinen Hut nehmen. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit trug er die Last nicht deklarierter politischer Wahlkampfspenden aus seiner Zeit als Oppositionsführer mit sich. Das Geld stammte von seiner Mutter. Hatoyama bezahlte die Steuern nach, sein Sekretär wurde für schuldig erklärt. Die Zustimmungsraten sanken in den Keller. Der Entscheid zur Verlegung des US-Stützpunktes Futenma brach ihm schliesslich das politische Genick.
Kontroverse vor Realpolitik
Japans Medien sind in dieser Hinsicht unerbittlich. Das amerikanische Magazin Newsweek bezeichnet Japan als «Land, das krankhaft besessen die Kontroverse vor die Realpolitik stellt». Diese Tradition der Aufdeckung von politischen Skandalen geht zurück auf die Zeit von Kakuei Tanaka in den 1970er-Jahren, der als erster Premierminister wegen eines Bestechungsskandals zurücktreten musste. «Politik und Geld» ist seither ein gängiger Begriff in Japan. Wer als Politiker in einen Skandal gerät, muss mit dem Ende seiner Karriere rechnen.
Natürlich hat die Politik auch etwas gegen die Spenden- und Bestechungsaffären unternommen. In den letzten Jahrzehnten wurden in dieser Hinsicht zahlreiche Gesetzesrevisionen durchgesetzt. Die Sachlage sei aber heute so kompliziert, dass praktisch jedem Politiker etwas nachgewiesen werden könne, sagt ein japanischer Journalist gegenüber Newsweek.
Ein Relikt der LDP-Ära
Die Sucht nach Skandalen hat auch historische Gründe. Als die LDP als Monopolpartei die politische Landschaft über Jahrzehnte beherrschte, blieb den schwachen Oppositionsparteien im Kampf um die mediale Aufmerksamkeit lediglich die im Fernsehen direkt übertragenen Parlamentsdebatten. Mit Sensationsskandalen verschafften sich die Oppositionsparteien öffentliches Gehör.
Damit wurde eine Gewohnheit in der Politik und in der Presse geschaffen, die bis heute anhält. Seit 2006 haben die skandalbezogenen Rücktritte gar zugenommen. Vier Premierminister mussten in den letzten vier Jahren zurücktreten. Skandale und öffentliche Fauxpas spielten regelmässig eine Rolle.
Saubere DPJ
Die Durchsuchung eines Büros durch den Staatsanwalt hat mittlerweile eine höhere Bedeutung als wichtige Debatten über die politische Ausrichtung Japans. Für die meisten japanischen Wähler sind «Politik und Geld» entscheidende Kriterien. So sprach auch Hatoyama bei seinem Rücktritt von der Erschaffung einer «sauberen DPJ».
Wenn auch die mediale Aufdeckung von Finanzskandalen eine zentrale Rolle in einer Demokratie einnehmen, so entzieht die «Skandalmanie» in diesem Ausmasse Japan die politische Stabilität, die sie dringend nötig hätte. Denn die Finanzkrise, die Überschuldung des Landes oder die Neugestaltung der Aussenpolitik bräuchten gerade in der heutigen Zeit die volle Aufmerksamkeit des Landes. ja.
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