Ein Land von Maskenträgern
Hygienemasken gehören zum Alltagsbild in den japanischen Städten. Während der Grippe- und Heuschnupfensaison erblickt man an jeder Strassenecke Maskenträger. Um sich selbst oder andere vor Viren zu schützen, gehört ihre Anwendung zum guten Ton. Inzwischen tragen jedoch viele Japaner aus ganz anderen Gründen einen Mundschutz in Weiss. «Ich nehme meine Maske nur ab, wenn ich esse, bade oder schlafe», sagt ein 15-jähriger Schüler der Asahi Shimbun. Die Eltern oder Lehrer hätten nichts dagegen, das er sein Gesicht konstant verberge: «Ich kann nur sagen, das sie mich beruhigt.»
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Dieselbe Zeitung beschreibt dieses Phänomen als den neusten Trend unter japanischen Jugendlichen. Sie tragen den ganzen Tag lang Hygienemaske, obwohl sie weder unter einer Erkältung oder Heuschnupfen zu leiden haben. Die Gründe fürs Tragen eines Mundschutzes sind unterschiedlich. Ein 18-jähriges Model benutzt ihn, um sich während der Schule besser konzentrieren zu können. Ein 14-jähriges Mädchen erklärt der Asahi Shimbun, dass sie damit ihr Aussehen verdecken könne. Die prüfenden Blicken der anderen seien somit Vergangenheit.
Die Verschleierung als Trend
Assistenz-Professorin Mayumi Yamada von der Universität Seigakuin vergleicht dieses Phänomen mit dem einst beliebten Ganguro-Trend, bei dem junge Frauen ihrem Gesicht eine künstliche Bräune geben, gepaart mit einem auffallend weissen Lidschatten. Dabei geht es wie bei der Maske darum, sein wahres Äusseres möglichst modisch zu verbergen.
Die Hygienmaske hat sich in Japan schon vor vielen Jahren verbreitet. Niemand wirft ihren Trägern komische Blicke zu. Der rasante Ausbruch der Schweinegrippe 2009 (Asienspiegel berichtete) etablierte den Mundschutz jedoch vollends in der japanischen Gesellschaft. Zu gross war die Angst vor einer Ansteckung. Seither überbieten sich die Hersteller mit Maskenmodellen, die den kompletten Rundumschutz versprechen. Gerade in der anlaufenden Heuschnupfen-Saison sind die Dinger wieder äusserst gefragt (Asienspiegel berichtete).
Ein Gesellschaftsphänomen
Der Maskentrend scheint sich jedoch nicht nur auf die jungen Japaner zu konzentrieren. Auch viele Menschen in ihren 40ern und 50ern stehen offen zu ihrer neuen Angewohnheit. So erzählt eine 49-jährige Hausfrau der Asahi Shimbun, dass gerade die Schweingrippe 2009 ihr die «goldene Chance» gab, die Maske täglich anzubehalten, um ihre Nase und ihr Kinn zu verdecken. Zudem habe dies den Vorteil, dass sie kein Makeup mehr auftragen müsse.
«Viele Mitarbeiter denken immer noch, dass ich die Maske wegen der Grippeprävention trage», sagt ein öffentlicher Angestellter, der täglich mit verdecktem Gesicht zur Arbeit geht. Mit dem Mundschutz könne er viel besser seine Ruhe bewahren, wenn er mit verärgerten Bürgern zu tun habe. «Ich bin wohl nicht so gut geeignet für eine Gesellschaft, die ständig unter Stress steht», meint er. Gleichzeitig verstecke er damit seine unmittelbare Gefühlswelt vor den Mitarbeitern. Denn ohne Gesicht hat man auch keinen Gesichtsverlust zu befürchten.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken