In der Stadt ohne Lichter
Zwei Wochen sind bereits seit der Katastrophe vergangen. Noch versuchen Spezialisten tagtäglich den nuklearen Super-Gau in Fukushima zu verhindern. Zwischenzeitlich wurden auch in Tokio höhere Strahlenwerte gemessen. Die Hauptstadt Japans ist weiterhin im Ausnahmezustand. Was sind die Sorgen der Tokioter und wie gestaltet sich der Alltag? Kohei Isohata, Assistenzprofessor an der Universität Chuo, gibt Auskunft.
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Herr Isohata, wie gestaltet sich zwei Wochen nach der Katastrophe der Alltag in Tokio?
Die Hauptstadt ist mehr oder wenige zu einem Alltag zurückgekehrt. Zwar gibt es Unannehmlichkeiten wie der gedrosselte Zugverkehr oder gewisse Dinge, die man nicht kaufen kann. Aber damit lässt sich mittlerweile gut leben. Ausserdem ist an meiner Universität die Nutzung der Bibliothek eingeschränkt. Das behindert etwas meinen Berufsalltag.
Wie verhält es sich mit den Stromunterbrüchen?
In einigen Regionen kommt es scheinbar häufiger zu geplanten Stromunterbrechungen als in anderen. Dort, wo der Strom weniger fliesst, sind die Menschen sicherlich noch weit weg vom gewohnten Alltag. Glücklicherweise gibt es in meiner Umgebung weniger Schwierigkeiten. Da ich in einem der 23 Innenstadtbezirke und zudem noch in der Nähe eines Bahnhofs lebe, ist mein Haus von den Elektrizitätsmassnahmen nicht betroffen. Ich kann so ein vergleichsweise normales Leben führen.
Welches sind derzeit die grössten Sorgen in Tokio?
Ganz klar die radioaktive Verstrahlung. Im Leitungswasser von Tokio wurden zeitweise höhere Werte gemessen. Dies sei nur für Babys gesundheitsgefährdend, heisst es. Daneben sind sicherlich die Stromunterbrüche eine weitere Sorge. Die ungerechte Verteilung der Stromunterbrüche ist in den Nachrichten ein grosses Thema. Es wäre schön, wenn die Unterbrüche ein baldiges Ende finden würden. Aber scheinbar geht das wohl noch bis in den Sommer weiter so.
Was halten Sie von der Einführung einer Sommerzeit, um Strom zu sparen?
Während meines Studienaufenthaltes in Frankreich, wurde mir gesagt, dass die Sommerzeit gar keine grosse Wirkung habe. Ich denke aber, dass dies wissenschaftlich geprüft werden sollte. Ich persönliche erwarte aber nicht viel von einer möglichen Einführung der Sommerzeit.
Werden immer noch Hamsterkäufe getätigt?
Bei vielen Produkten hat sich die Lage beruhigt. Bei Batterien, Mineralwasser und Reis herrscht jedoch immer noch eine Warenknappheit.
Trinken Sie noch das Leitungswasser?
Die Behörden sagen, dass das Trinkwasser lediglich für Babys eine Gefahr darstelle. Daher trinke ich es weiter. Es ist auch so, dass ich durch den Warenmangel praktisch kein Mineralwasser kaufen kann.
Wie ist die Atmosphäre in Tokio?
Die Lichter und Leuchtreklamen sind abgestellt. In meinen Augen ist dies gar nicht so schlecht. Mir war in Japans Städten schon immer alles zu hell beleuchtet. Von dem her ist es gerade gut so. Das Problem ist mehr, dass sich die seelische Gefühlslage verdunkeln könnte. Viele Veranstaltungen werden abgesagt. Abschlussfeiern, Konzerte und kulturelle Events sind davon betroffen. Man muss sich in allem zurückzuhalten.
Wie bewerten sie die Arbeit der Regierung?
Bis zu einem gewissen Grad gibt sie sich sicherlich Mühe. Ich glaube auch noch einigermassen den Aussagen der Regierung. Der Ärger richtet sich mehr gegen den Atomkraftwerkbetreiber Tepco. Das darf nicht mehr so weitergehen. Am liebsten wären mir ein Konkurs und anschliessend ein Neustart.
Worauf kann Japan stolz sein?
Ich glaube, auf die Gemütsruhe der betroffenen Menschen. Ich bin stolz darauf, wie die Japaner in dieser unfassbaren Notlage ohne ausser sich zu geraten zusammenarbeiten.
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