Die Zeitung in der Not
Nach dem Tsunami am 11. März 2011 ging nichts mehr in Ishinomaki. Die Flutwellen zerstörten einen Grossteil der Stadt mit 160’000 Einwohnern in der Präfektur Miyagi. Über 1000 Menschen verloren ihr Leben, fast 3000 werden heute noch vermisst. In den Anfangstagen der Krise war die Bevölkerung in ihren Notunterkünften von der Aussenwelt abgeschnitten. Strom gab es keinen mehr. Die Telefon- und Internetleitungen waren ausser Betrieb.
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Auch der erste Stock im Hauptsitz der Lokalzeitung Ishinomaki Hibi Shimbun war unter Wasser, die Infrastruktur stark beeinträchtigt. Dennoch liess sich die Belegschaft nicht unterkriegen. Immerhin hatte das 99-jährige Blatt ausser in den Kriegsjahren noch keinen Drucktermin verpasst.
Die einzige Informationsquelle
Die kleine Redaktion griff kurzerhand zu Stift und Papier. 6 Tage hintereinander wurden die Taschenlampe und der Filzstift zum Hauptwerkzeug der Hibi Shimbun. Die Arbeitsteilung war simpel: 6 Redakteure verfassten die Artikel, während 3 weitere die Geschichten per Handschrift aufs Papier brachten. Die Hibi Shimbun wurde täglich in den Notunterkünften der Stadt aufgehängt. Für die betroffenen Menschen war sie der einzige Zugang zu Informationen.
«Japans grösstes Erdbeben und ein Riesentsunami» titelte die Hibi Shimbun am 12. März. Bis zum 17. März berichtete die Lokalzeitung über die Entwicklungen nach der Katastrophe. «In der Stadt gehen die Lichter wieder an», war schliesslich der Titel der letzten handgeschriebenen Ausgabe.
Rückkehr zur Normalität
Der Strom war zurück, die Druckerpressen wurden wieder angeworfen. In einer der ersten Druckausgaben durften die Lokalreporter von der wundersamen Rettung einer 80-jährigen Frau und ihres 16-jährigen Enkels in Ishinomaki berichten (Asienspiegel berichtete). Die Beiden wurden zum Lichtblick in dunklen Zeiten.
Fast einen Monat später ist auf der Redaktion eine Spur von Normalität wieder eingekehrt. Auch die Internetausgabe funktioniert wieder. Unermüdlich dokumentiert die Hibi Shimbun die schwierige Rückkehr der Stadt Ishinomaki zum Alltag. Die handgeschriebenen Ausgaben sind inzwischen nicht nur wertvolle Zeitzeugen, sondern auch begehrte Museumsstücke.
Museumsreif
Das Newseum in der US-Hauptstadt Washington, ein Museum über die Nachrichtenwelt und den Journalismus, hat gleich 7 Originalausgaben für die permanente Kollektion erworben. «Im Angesicht schwierigster persönlicher Umstände fühlten sich diese Journalisten verpflichtet ihre Gemeinde mit wichtigen Informationen zu beliefern und dafür benutzten sie ganz einfach Filzstift und Papier», lobt Carrie Christoffersen, Kuratorin des Newseum, die Arbeit der Journalisten der Hibi Shimbun auf der Website des Museums.
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