Japans grösste Gefahr
Das Atomkraftwerk Hamaoka in der Präfektur Shizuoka liegt nur 200 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Tokio entfernt. Genau in dieser Region ereignete sich 1854 das grosse Tokai-Erdbeben der Stärke 8,4. Die darauf folgende Tsunami-Welle in der Bucht von Iruma war bis zu 16 Meter hoch. Damals wurden über 10’000 Gebäude weggeschwemmt. Rund 2000 Todesopfer wurden gezählt.
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Alle 100 bis 150 Jahre wiederholt sich dieses Erdbeben. Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Tokai-Erdbeben in den nächsten 30 Jahren bei hohen 87 Prozent liegt (Asienspiegel berichtete). Zwar hat die japanische Wetterbehörde für den Moment «keine seismische Anomalitäten» in der Region festgestellt, doch das Erdbeben kommt bestimmt.
Naoto Kans Forderung
Aus diesem Grund hat Premierminister Naoto Kan in einer ungewohnten Dringlichkeit die Betreibergesellschaft Chubu gebeten, alle Reaktoren des AKW Hamaoka sofort stillzulegen, bis weitere Sicherheitsvorkehrungen umgesetzt worden sind. Bereits 2009 wurden 2 der 5 Reaktoren abgeschaltet. Mit einer Stilllegung soll eine Katastrophe wie in Fukushima verhindert werden.
Ein Super-Gau im AKW Hamaoka hätte denn weitaus schlimmere Folge für Japan. Zwischen den Metropolen Tokio und Nagoya gelegen, wäre eine zahlenmässig weitaus grössere Bevölkerung von einer atomaren Katastrophe betroffen. Ausserdem liegen innerhalb des 20-Kilometer-Radius des AKW Hamaoka zentrale Verkehrswege wie die Autobahn und die Hochgeschwindigkeitslinie des Shinkansen, für die japanische Wirtschaft lebenswichtige Verkehrsadern.
Keine schützende Betonmauer
Die Betreibergesellschaft Chubu tut sich derweil schwer mit einer Stilllegung. Zu gross ist die Sorge, dass gerade für die Sommermonate ein Stromengpass auftreten könnte. Man werde in den nächsten Tagen eine Entscheidung treffen, wie die Mainichi Shimbun berichtet. Obwohl die Forderung des Premiers nicht rechtlich bindend ist, wird angenommen, dass Chubu dem Druck nachgeben wird.
Chubu selbst hält das AKW Hamaoka für sicher, auch wenn bislang keine schützende Betonmauer gegen eine allfällige Tsunami-Welle gebaut wurde. Die 10 bis 15 Meter hohe Sanddüne vor dem Kernkraftwerk und die wasserfesten Türen zu den Reaktoren würden genug Sicherheit gegen Riesenwellen bieten, heisst es auf der Website von Chubu. Ausserdem sei das AKW 3 Mal so stark gegen Erdbeben gesichert wie vom Gesetz vorgegeben.
Keiji Kobayashi, ein Wissenschaftler am Reaktor-Institut der Universität Kyoto, glaubt diesen Beteuerungen von Chubu nicht. Selbst eine zusätzliche Erhöhung der Sanddüne würde das AKW nicht sicherer machen. Aus diesem Grund fordert er gegenüber der Asahi Shimbun, dass das AKW Hamaoka sofort abgestellt werde. Zu gross sei die Wahrscheinlichkeit eines baldigen grossen Erdbebens.
Regierung hält an Atomkraft fest
Die Regierung in Tokio hat derweil angedeutet, dass das Land an der Atomkraft auch in Zukunft festhalten werde. Dies erklärte der stellvertretende Chefkabinettssekretär Yoshito Sengoku dem Fernsehsender NHK. Ausser Hamaoka seien die über 50 Kraftwerke genügend geschützt vor Erdbeben.
Update, 9. Mai 2011
Chubu hat sich dem Druck der Regierung und der Öffentlichkeit gebeugt und beschlossen, das AKW Hamaoka vom Netz zu nehmen.
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