Der pilgernde Ex-Premier
Rund einen Monat ist es her, als Naoto Kan als japanischer Premierminister abtrat. Seither ist es ruhig um den Mann geworden. Naoto Kan, der weiterhin Abgeordneter der regierenden Demokratische Partei im Unterhaus ist, hat sich im wortwörtlichen Sinne eine Auszeit genommen. Wie der Schweizer Thomas Köhler ist auch der Ex-Premier zu Fuss unterwegs in Japan.
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Die Mainichi Shimbun hat ihn auf dem berühmten 1200 Kilometer langen Pilgerweg auf der Insel Shikoku gesichtet. Ausgerüstet mit Pilgerstab, -kleid und -hut und in Begleitung von Sicherheitspolizisten machte er am 3. Oktober einen Gebetshalt beim Nankobo-Tempel. Es ist der 55. der insgesamt 88 Tempel, die ein Pilger zu Ehren des Mönchs Kukai, dem Gründer der buddhistischen Shingon-Schule, besucht.
Unter anderen Vorzeichen
Naoto Kan ist nicht zum ersten Mal unterwegs. Bereits im Juli 2004, als er nach einem Skandal um versäumte Einzahlungen ins Rentensystem als Vorsitzender der Demokratischen Partei abtreten musste, nahm er reumütig und mit kahlgeschorenem Kopf den populären Pilgerweg in Angriff. Für die ganzen 1200 Kilometer reichte es jedoch nicht. Im Juli 2008 setzte er die Route bis zum Enmyoji-Tempel, der 53. Station, fort.
Nun, 3 Jahre später, hat er sich auf eine weitere Etappe aufgemacht. Dieses Mal sind die Vorzeichen jedoch ganz anders. Als ehemaliger Regierungschef, der mit einer Jahrhundertkatastrophe fertig werden musste, hat er nur noch einen Wunsch: Den Wiederaufbau nach der riesigen Zerstörung durch das Erdbeben, den Tsunami und den AKW-Unfall. Seine Gebete seien bei den Opfern der Katastrophe, wie er den japanischen Medien auf seinem Fussmarsch mitteilte.
Weiss statt blau
Über Politik mochte er nicht wirklich sprechen. Seinem Nachfolger, Premierminister Yoshihiko Noda, wünsche er alles Gute. Über seine Äusserung als Premier, dass Japan aus der Atompolitik aussteigen müsse (Asienspiegel berichtete), meinte er lediglich: «Am Ende wird die Bevölkerung darüber entscheiden müssen.»
Naoto Kans Gebetsgang scheint Wirkung zu zeigen. «Er macht einen viel erfrischenderen Eindruck als im Fernsehen», zitiert die Asahi Shimbun eine 63-Jährige Passantin. «Er hat eine harte Zeit hinter sich.» Bis zum 9. Oktober will der Ex-Premier weiter von Tempel zu Tempel ziehen. Die blaue Krisen-Uniform ist dem weissen Pilgerkleid gewichen. Die Probleme in Japan müssen nun andere lösen. Naoto Kan mag es recht sein.
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