Eine historische Provokation
Am 13. Dezember 1937 marschierten die japanischen Truppen in der chinesischen Hauptstadt Nanking ein. In den darauf folgenden sechs Wochen verübten die Japaner Gräueltaten an der Bevölkerung, die als Massaker von Nanking (heute Nanjing geschrieben) in die Geschichte eingingen. Häuser und Geschäfte wurden geplündert und in Brand gesetzt. Kriegsgefangene und Zivilisten wurden vergewaltigt, erstochen, geköpft oder erschossen.
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Das Nanking-Massaker belastet bis heute die sino-japanischen Beziehungen. Über die Vorgänge und Zahlen wird selbst über 70 Jahre danach intensiv gestritten. Chinesische Historiker sprechen heute von über 300’000 Todesopfern. Japanische Kollegen sprechen derweil von 20’000 bis maximal 200’000 Toten (Asienspiegel berichtete).
In Japan gibt es aber auch Strömungen, welche die Gräueltaten von Nanking leugnen oder zumindest relativieren. In gewissen Schulbüchern wird das Wort Massaker geflissentlich ignoriert. Von «einem Zwischenfall» ist darin die Rede. Die Regierung in Tokio geht bei ihrer Wortwahl ebenso bedacht vor, auch wenn sie die historischen Fakten nicht verleugnet. «Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tötung von Zivilisten, Plünderungen und andere Taten stattgefunden haben», heisst es offiziell zum Thema Nanking.
Die Aussagen des Bürgermeisters
Die Angelegenheit hatte sich in den letzten Jahren zugunsten der wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder etwas beruhigt. Doch nun hat ausgerechnet der Bürgermeister von Nagoya, Takashi Kawamura, das heikle Thema wieder aufs Parkett gebracht. In seiner Wahrnehmung hat das Massaker gar nie stattgefunden. So hatte Kawamura einem Vertreter von Nanking am Montag gesagt, dass es damals zu keinen Massenmorden oder Vergewaltigungen an der Zivilbevölkerung gekommen sei. Einzig die kriegerischen Auseinandersetzungen seien belegt. Das Massaker habe wahrscheinlich nie stattgefunden.
Am Mittwoch bestätigte der Bürgermeister in einer Pressekonferenz in Tokio seinen Standpunkt. «Seit meiner Zeit als Abgeordneter habe ich stets gesagt, dass es 1937 in Nanking zu keinem Massaker gekommen ist, das zu hunderttausenden Toten geführt hat.»
Die Schwesterstadt von Nanking
Das Thema ist besonders heikel, weil ausgerechnet Nagoya seit 1978 die Schwesterstadt von Nanking ist. Die chinesische Stadt hat nach den Äusserungen Kawamuras diese Beziehungen einstweilig eingestellt. Das chinesische Aussenministerium bemerkte zudem, dass es für das Massaker «einen Berg an Beweisen» gebe.
Die Regierung in Tokio und der Gouverneur der Präfektur Aichi, von der Nagoya die Hauptstadt ist, haben Kawamura inzwischen dazu gedrängt, seine Wortwahl zu mässigen. Tokio betont gleichzeitig, dass es sich hierbei um eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Städten handle. Und auf dieser Ebene solle sie auch bleiben.
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