Die AKW-Kritik des Ex-Premiers
Am 6. Mai 2011 erklärte der damalige japanische Premierminister Naoto Kan das AKW Hamaoka zwischen den Metropolen Tokio und Nagoya für den Fall eines massiven Erdbebens und eines darauf folgenden Riesen-Tsunami als nicht genügend gesichert. Ein Super-Gau in dieser Region hätte für die Bevölkerung und die Wirtschaft des Landes ungeahnte Folgen.
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3 Tage später beugte sich der Betreiber Chubu Electric Power dem Druck und nahm das Kernkraftwerk vom Netz (Asienspiegel berichtete). Es war das einzige Mal, dass die Tokioter Regierung nach der Katastrophe von Fukushima aktiv die Stilllegung eines AKW gefordert hatte. Naoto Kan löste damit unbeabsichtigt eine Entwicklung aus, die zum heutigen AKW-Null-Zustand geführt hat (Asienspiegel berichtete).
Ein 18-Meter-Schutzwall
Für Chubu Electric Power bleibt die Stilllegung ein rein vorläufiger Zustand. Hier will der Betreiber Nägel mit Köpfen machen. Dafür investiert er gemäss der Nikkei Shimbun 140 Milliarden Yen (rund 1,3 Milliarden Euro), um das AKW Hamaoka vor möglichen Riesenwellen zu sichern.
Eine 18 Meter hohe Schutzmauer auf einer Länge von 1,6 Kilometer wird derzeit gebaut. Bis zu 30 Meter tief in die Erde wird die Mauer positioniert. Ausserdem sollen Notfall-Generatoren und Wassertanks zur Kühlung der Brennstäbe auf einer sicheren Anhöhe von 30 bis 40 Metern gebaut werden. Mit der schieren Grösse des Projekts will Chubu Electric Power die Bevölkerung von der Sicherheit des AKW überzeugen.
Keine Garantie von Kan
Ob sich diese Investitionen auszahlen, steht nach der aktuellen Entwicklung in den Sternen. In Japan läuft kein einziges AKW mehr. Zudem stellt der damalige Premierminister Naoto Kan in einem Interview mit der Mainichi Shimbun die Bemühungen von Chubu Electric Power in Frage. Er habe dem Betreiber damals keine Garantie für eine Wiederinbetriebnahme von Hamaoka gegeben. «Das ist lediglich etwas, das sich Chubu wünscht», sagte Kan dazu.
Der Stromkonzern stützt sich derweil auf ein Gespräch mit dem damaligen Wirtschaftsminister Banri Kaieda. Dieser soll Chubu Electric Power versichert haben, dass bei einer Anpassung der Sicherheitsmassnahmen ein Start erlaubt würde.
Für den inzwischen bekennenden Atomausstiegs-Befürworter Kan ist das AKW Hamaoka in der Präfektur Shizuoka ein speziell sensibler Fall. Innerhalb des kritischen 20-Kilometer-Radius liegen Autobahn und Hochgeschwindigkeitslinie, welche Tokio mit den Metropolen Nagoya und Osaka verbinden. Ein Super-Gau würde bedeuten, dass «Japans Wirtschaftsader» in der Sperrzone zu liegen käme, so Naoto Kan. «Die Auswirkungen wären grösser als bei der Fukushima-Krise.»
Der lokale Widerstand
Gegen die Pläne von Chubu Electric Power spricht auch eine kürzlich von der Regierung beauftragte Studie, die beim AKW Hamaoka von einer möglichen Tsunami-Welle von bis zu 21 Metern ausgeht (Asienspiegel berichtete). Der zurzeit in Bau befindliche Schutzwall von 18 Metern würde damit nicht ausreichen. Für Gouverneur Heita Kawakatsu von der Präfektur Shizuoka hätten diese neuen Erkenntnisse «einen offensichtlichen Einfluss» auf die Entscheidung, ob das AKW Hamaoka jemals wieder hochgefahren würde. «Das sind ernsthafte Zahlen», sagte der Gouverneur Anfang April.
Zudem müsste Chubu Electric Power von 5 umliegenden Gemeinden die Einwilligung zum Hochfahren einholen. Die Stilllegung aller Reaktoren im Land wird auch auf ihre Entscheidungsfindung einen Einfluss haben. Dem Konzern bleibt nichts anderes übrig, als die Androhung einer Erhöhung der Stromgebühren. Chubu Electric Power schreibt rote Zahlen. Die Umstellung auf thermische Kraftwerke haben die Brennstoffkosten auf über 50 Prozent ansteigen lassen. Zudem gehen auch die Sicherheitsmassnahmen ins Geld.
Kans Kritik
An die Argumente der Stromkonzerne scheint Naoto Kan nicht mehr zu glauben. Auch im Fall von Kansai Electric, das von einer Versorgungslücke spricht, sollte das AKW Oi in der Präfektur Fukui nicht bald wieder angeschaltet werden, hat der ehemalige Premier so seine Zweifel (Asienspiegel berichtete). «Ist es wirklich wahr, dass wir nicht genügend Elektrizität haben?», fragt er sich im Interview mit der Mainich Shimbun. Er persönlich sei davon überzeugt, dass der Sommer mit den entsprechenden Sparmassnahmen auch ohne Stromausfälle bewältigt werden könne.
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