Der protestierende Ex-Premier
Jeden Freitag demonstrieren sie mittlerweile vor dem Amtssitz des japanischen Premierministers Yoshihiko Noda gegen das Wiederhochfahren der AKW. Zum 17. Mal hintereinander. Selbst der Regen hielt sie am Freitag nicht auf. Aus einer kleinen Aktivisten-Gruppe von 300 Menschen ist innert 3 Monate eine richtige Bewegung entstanden. Zu Zehntausenden stehen sie vor den hohen Mauern der Macht. «Gegen das Wiederhochfahren der AKW!», «Wir brauchen keine AKW» schreien sie in regelmässigen Abständen.
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Von der Regierung wurde die Menge bisweilen ignoriert. «Die machen viel Lärm», soll Premier Noda einzig gesagt haben. Doch die Zeiten ändern sich. Letzten Montag demonstrierten 170’000 Menschen in Tokio gegen die Atomenergiepolitik (Asienspiegel berichtete). Laut Organisatoren waren es am Freitag 90’000. Die Polizei stutzt diese Zahlen regelmässig herunter.
Die Anti-AKW-Bewegung hat durch prominente Unterstützer wie den Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe oder den Komponisten Ryuichi Sakamoto an gesellschaftlichem Gewicht gewonnen (Asienspiegel berichtete). So stark, dass sich nun auch plötzlich die grossen Politiker offenbar aufspringen wollen.
Der Ex-Premier in der Anti-AKW-Menge
Yukio Hatoyama, der ehemalige Premierminister und Parteikollege von Noda, erschien gestern in einen Regenschutz gehüllt vor dem Amtssitz. «Das Wiederhochfahren muss ein Ende haben», sprach er gemäss der Asahi Shimbun ins Mikrofon vor der Menge. «Es herrscht eine Kluft zwischen dem Premier und der Stimme des Volkes.» Damit wendet sich nach Naoto Kan ein weiterer Ex-Premier der Demokratischen Partei gegen Yoshihiko Nodas Politik.
Hinter Hatoyamas Haltung versteckt sich auch eine grosse Portion Opportunismus. Viel innenpolitische Rivalität spielt hier mit. Nach dem Parteiaustritt des grossen Strippenziehers Ichiro Ozawa spielt der ehemalige Premier mit seiner innenparteilichen Faktion das Zünglein an der Waage.
Sein Widerstand gegen Nodas Politik, gerade was die Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft, ist bekannt. Nun hat Hatoyama mit der Teilnahme an der Demo zu einem neuen Schlag gegen Noda gegriffen. Den Anti-AKW-Gegner mag es recht sein. Sie brauchen diese Unterstützung, um die Politiker zu einem Umdenken zu bewegen. Premier Noda kann sich keine weiteren Parteiaustritte von Abgeordneten leisten (Asienspiegel berichtete).
Das Umdenken von Hatoyama
«Wir müssen die demokratischen Trends ernst nehmen. Die Mauern des Amtssitzes sind jedoch so dick, dass man nichts hört. Auch ich habe über die ganze Sache nochmals nachgedacht», erklärte Hatoyama den Demonstranten derweil seine neue Haltung. Er wolle möglichst schnell ein Treffen zwischen den Aktivisten und dem Premier organisieren, versprach er weiter.
Für die Bewegung ist die Entwicklung ein Erfolg. Schritt für Schritt beeinflusst sie den politischen Machtzirkel in Tokio. Seit den 1960er-Jahren hat dies keine Bewegung mehr geschafft.
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