Die nukleare Schicksalswahl
«Diese Menschen, die behaupten, wir hätten nicht genug Strom für diesen Sommer, haben nicht genug Intelligenz.» So äusserte sich Tetsunari Iida, erklärter Atomkraft-Gegner und unabhängiger Kandidat für den Gouverneursposten in der Präfektur Yamaguchi. Der 53-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund. Das trifft nicht nur auf Wohlwollen.
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Der Gründer eines Instituts für erneuerbare Energien hat den japanischen Begriff des «Nuklearen Dorfes» (jap. genshiryoku mura) geprägt. Damit spricht er die Experten an, die eng mit der Atomlobby verbandelt sind, sich uneinsichtig für deren Sache einsetzen und alle gegenteiligen Meinungen als ein Ausdruck von Inkompetenz abkanzeln.
Seine klare Sprache hat mag dazu beigetragen haben, dass er dem provokativen Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, in den letzten Monaten als Energieberater zur Seite stand. Nun will es Tetsunari Iida selber wissen und aktiv in die Politik einsteigen.
In der konservativen Hochburg
Am 29. Juli entscheiden die Wähler der Präfektur Yamaguchi über einen Nachfolger des abtretenden Gouverneurs Sekinari Nii. Obwohl eine Hochburg der konservativen und atomfreundlichen Liberaldemokraten, scheint Iida gemäss verschiedener Umfragen reelle Chancen auf eine erfolgreiche Wahl zu haben.
Das Momentum ist auf Iidas Seite. Die Frage über die Zukunft der Atomenergie in Japan bewegt die Bevölkerung. Regelmässig kommt es inzwischen im ganzen Land zu Anti-AKW-Protesten gegen die Wiederinbetriebnahme der Reaktoren (Asienspiegel berichtete). Die Bewegung gewinnt selbst bei politischen Figuren an Einfluss, die bislang für die Atomenergie einstanden (Asienspiegel berichtete).
Die Wahl in Yamaguchi ist in diesem Sinne eine erste grosse Schicksalswahl, die für die Energiezukunft Japans richtungsweisend sein könnte. Der Energieexperte will bis 2020 aus der Atomenergie komplett aussteigen. Der umstrittene Bau des AKW Kaminoseki in der Präfektur wäre mit seiner Wahl endgültig vom Tisch (Asienspiegel berichtete). Kurzfristig sollen Wärmekraftwerke den entstehenden Strommangel kompensieren. Politisch will er auf erneuerbare Energien setzen. «Ändern wir die Energie- und Atompolitik, so ändern wir auch unsere Gesellschaft», erklärte Iida an einer Wahlveranstaltung. Er nennt seine Agenda eine «Energie-Reform».
Einfluss auf Tokios Politik
Sollte Tetsunari Iida in der konservativen Hochburg gewinnen, könnte dies das Ende von Premier Yoshihiko Nodas Politik des unverrückbaren Festhaltens an der Atompolitik bedeuten. Noch ist in der Präfektur Yamaguchi jedoch alles offen.
Sein härtester Gegner, der ehemalige Transportminister und Befürworter der aktuellen Atompolitik, Shigetaru Yamamoto, liegt hauchdünn vorne. Er ist der offizielle Kandidat der Liberaldemokraten. Die Wahl in Yamaguchi verspricht spannend werden. Denn über die Hälfte der Wähler hat sich noch für keinen Kandidaten entscheiden können. Die Anti-AKW-Bewegung wird am 29. Juli ganz genau hinschauen.
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