Besuch in der Geisterstadt
Namie hatte vor dem Grossen Erdbeben und Tsunami vom 11. März 2011 über 20’000 Einwohner – ein typisches ländliches Städtchen an der Küste Japans. Doch seit dem Unglück im nahe gelegenen AKW-Fukushima ist Namie eine Geisterstadt.
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«Zwei Jahre sind seit der Katastrophe vergangen und noch immer dürfen die Menschen die Stadt nicht betreten», schreibt Bürgermeister Tamotsu Baba verzweifelt in einem Blogeintrag für Google Japan.
Niemand von ihnen wisse, wie die Stadt inzwischen aussehe, beklagt sich Baba. Er wolle zudem, dass die Welt wisse, was für Folgen ein nuklearer Unfall auf die umliegenden Gemeinden habe. So setzte er sich zusammen mit dem Google-Street-View-Team in einen Kameragen und liess alle Ecken der verlassenen Stadt fotografisch festhalten.
Erinnerungen für die Zukunft
Auf der Website Mirai e no kioku (Erinnerungen für die Zukunft) sind die speziellen Google-Street-View-Einblicke von Namie nun zu sehen.
Die von Google aufgesetzte Seite wurde im August 2011 mit der Absicht gegründet, zu einem virtuellen Gedächtnis der Katastrophe zu werden – eine digitale Fotocollage, die vom gemütlichen Alltag vor und der Zerstörung nach dem verheerenden Tsunami erzählt (Asienspiegel berichtete).
Ein historisches Dokument
Bürgermeister Baba hofft, dass möglichst viele Menschen sich seine Heimat Namie über Google Street View ansehen. Die Fotos sollen zu einem historischen Dokument der Dreifachkatastrophe werden. Sie erzählen von der gespenstischen Leere und der Zerstörung durch Erdbeben und Tsunami.
Wo früher jeweils 100’000 Menschen das alljährliche Herbstfest besuchten, sind nur noch leere Häuser und Strassenzeilen übrig geblieben. Der Tsunami machte das ehemalige Hafengebiet dem Erdboden gleich. Durch das Erdbeben kollabierten Häuser sind bis heute unangetastet geblieben.
Ausgerechnet in dieser Stadt plante der Stromkonzern Tohoku Electric den Bau eines AKW ab 2016. Gestern – zwei Jahre nach der Katastrophe – hat das Unternehmen diese Pläne begraben, wie die Sankei Shimbun berichtet. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein AKW-Betreiber in Japan ein Bauvorhaben für ein künftiges AKW komplett zurückzieht.
Wo die Zeit stehen geblieben ist
«Seit der Katastrophe vom März 2011 hat sich die Welt weiterbewegt. In vielen Orten Japans hat der Wiederaufbau begonnen. In Namie jedoch ist die Zeit stehen geblieben», schreibt Baba über die verstörenden Fotos.
«Wir von der älteren Generation haben diese Stadt von unseren Vorfahren erhalten. Es schmerzt uns zutiefst, dass wir sie unseren Kindern nicht weitergeben können.» Es würden noch Jahre vergehen, bis sich Namie von der Nuklearkatastrophe erholen werde. Trotzdem will Baba weitermachen: «Wir werden nicht aufgeben, bis wir unsere Heimat wieder haben.»
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