Murakamis Antwort auf Boston
Das 2007 erschienene Buch Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede ist wohl Haruki Murakami persönlichstes Werk. Seit den 1980ern ist die grösste Leidenschaft des heute wohl berühmtesten japanischen Schriftstellers das Laufen. Davon erzählt er auf über 160 Seiten und gewährt dem Leser gleichzeitig einen seltenen Einblick in seinen disziplinierten Tagesablauf.
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Auch den Boston Marathon kennt Haruki Murakami auswendig. 6 seiner 33 gelaufenen Marathons hat er in der US-Ostküstenstadt absolviert. So überrascht es nicht, dass der japanische Schriftsteller und Läufer nach dem Bombenanschlag vom 15. April stumm bleiben konnte. Für das renommierte Magazin The New Yorker hat er eine ganz persönliche Antwort auf den Terroranschlag verfasst.
Das magische Rennen
Im Beitrag Boston, von einem Bürger der Welt, der sich selbst als Läufer bezeichnet schreibt er von der Schönheit dieser historischen Sportveranstaltung. Boston sei magisch, ja einzigartig, weil der Marathon von den Einwohnern der Stadt über viele Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Das Rennen sei der Stolz der Stadt. Er hab dies während seiner 3 Jahre, die er in Boston lebte, selbst erfahren dürfen.
Der Anschlag habe auf viele Arten eine Wunde hinterlassen. «Etwas, das rein war, wurde beschmutzt. Ich selbst, als ein Bürger der Welt, der sich selbst als Läufer bezeichnet, wurde verwundet», beschreibt Murakami seine Anteilnahme. Eine ähnliche Trauer, Enttäuschung, Wut und Hoffnungslosigkeit habe er erlebt als er für sein Buch Underground den Saringasanschlag auf die Tokioter U-Bahn recherchierte.
«Laufen, laufen jeden Tag»
Murakami versucht für etwas Unbeschreibliches Worte zu finden. Er selbst stelle sich die Frage, weshalb eine solch friedliche Veranstaltung auf solch blutige Weise zertrampelt werden musste: «Dieses Trauma zu überwinden, benötigt Zeit. Zeit, in der wir positiv nach vorne schauen.»
Nach Rache zu suchen, werde keine Erleichterung bringen, mahnt Murakami weiter. Seine persönliche Antwort sei «laufen, laufen jeden Tag, um für diese Leben zu trauern, die verloren gingen und für jene, die verletzt wurden.»
Seltene Äusserungen
Haruki Murakami gehört zu Japans intellektuellen Taktgebern. Der Autor gibt gewöhnlich wenig von sich preis. Nicht einmal über sein neustes Buch, das sich erneut zum Bestseller entwickelt hat (Asienspiegel berichtete), hat er viel Worte verloren.
Murakami meldet sich gezielt zu Wort, dafür aber mit grosser Wirkung. Er bezog Stellung nach Fukushima und während des Streits um unbewohnte Territorien zwischen Japan, China, Taiwan und Korea.
Im Falle von Boston hat er sich für eine ganz persönliche Antwort entschieden – als einer, der sich selbst als Läufer bezeichnet.
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