Allei­ne essen, allei­ne singen

In einem Ichiran-Ramen-Restaurant mit den typischen Trennwänden.
In einem Ichi­ran-Ramen-Restau­rant mit den typi­schen Trenn­wän­den. Foto: flickr/​lazy fri13th

Wo setzt man sich in der Kan­ti­ne der Uni­ver­si­tät hin, wenn man ganz allei­ne ist? Mit die­sem Sze­na­rio hat sich jeder Stu­dent schon ein­mal beschäf­ti­gen müs­sen. Der Betrei­ber der Haupt­kan­ti­ne in Japans renom­mier­ter Uni­ver­si­tät Kyo­to hat für die­ses Pro­blem eine krea­ti­ve Lösung gefun­den, wie die Asahi Shim­bun berich­tet.

Wenn Sie die­sen Arti­kel gra­tis lesen, bezah­len ande­re dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft die­ses Japan-Blogs.

Ein Tisch für 6 Per­so­nen wird in der Mit­te mit einer Trenn­wand der Län­ge nach räum­lich zwei­ge­teilt. Der Stu­dent kann so in Ruhe essen, dem Gegen­über muss er nicht in die Augen schau­en, eine ermü­den­de Kon­ver­sa­ti­on ent­fällt. Das Ein­zi­ge, was er vor sei­nen Augen sieht, ist eine Wand. Für einen japa­ni­schen Stu­den­ten sind das offen­bar gute Aus­sich­ten. Gleich zehn Stück die­ser Spe­zi­al­ti­sche hat die Kan­ti­ne mit ihren ins­ge­samt 480 Sit­zen anfer­ti­gen lassen.

Die letz­tes Jahr ein­ge­führ­te Idee stösst auf viel Anklang. Die Wand­ti­sche wer­den rege genutzt. «Boc­chi Seki», die Sit­ze für Ein­sa­me, wer­den sie genannt. Das ist vie­len Stu­den­ten lie­ber als ganz ohne Freun­de allei­ne an einem gros­sen, offe­nen Tisch zu sit­zen. Ande­re möch­ten ganz ein­fach ihr Essen schnell ver­spei­sen, ohne sich dabei in unge­woll­te Kon­ver­sa­tio­nen zu verfangen.

Eine ein­fa­che Logik

Eine Kan­ti­ne in der Uni­ver­si­tät Kobe hat die­ses Kon­zept bereits erfolg­reich kopiert. Den Betrei­ber fiel auf, dass vie­le Plät­ze wäh­rend der Mit­tags­pau­se leer blie­ben, obwohl die Kan­ti­ne mit Kun­den über­füllt war.

Das kam daher, dass vie­le Stu­den­ten, die allei­ne gekom­men waren, sich nicht zu einer Grup­pe hin­set­zen woll­ten. So blie­ben regel­mäs­sig meh­re­re Sit­ze an 6er- und 8er-Tischen leer.

Indem die gros­sen Tische zu «Boc­chi Seki» mit Trenn­wand trans­for­miert wur­den, änder­te sich plötz­lich das Ver­hal­ten der Stu­den­ten. Die Plät­ze in der Kan­ti­ne waren auf ein­mal bes­ser besetzt.

Kri­tik am «Boc­chi Seki»

Die neue Sitz­ar­chi­tek­tur hat zudem den Vor­teil, dass sich eine 3er-Grup­pe wie an einem tra­di­tio­nel­le Tre­sen in einem japa­ni­schen Restau­rant wei­ter­hin unter­hal­ten kann. Gleich­zei­tig kann ein Stu­dent sich auch ganz allei­ne hin­set­zen, ohne dabei Angst zu zu haben, jeman­den zu stören.

Trotz­dem haben nicht alle am «Boc­chi Seki»-System Freu­de. «Die Trenn­wand fühlt sich been­gend an. Es ist so, als ob man in einem Stu­dier­zim­mer sitzt», bemän­gelt ein Stu­dent auf der News-Site der Uni­ver­si­tät Kobe. Ande­re haben wegen des neu­en Sys­tems gleich ganz auf­ge­hört, die Kan­ti­ne zu frequentieren.

Die Sin­gle-Gesell­schaft

Übri­gens machen die Dienst­leis­tun­gen für Ein­zel­gän­ger nicht bei der Uni­ver­si­täts­kan­ti­ne halt. In Japan gibt es Karao­ke­bo­xen, Bar­be­cue- und Nudel­sup­pen-Restau­rants für die ein­sa­men See­len (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Das Land hat sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten zu einer veri­ta­blen Sin­gle-Gesell­schaft ent­wi­ckelt. Heu­te sind über 60 Pro­zent der unver­hei­ra­te­ten Män­ner zwi­schen 18 und 34 Jah­ren in kei­ner Bezie­hung (Asi­en­spie­gel berich­te­te). In 32,4 Pro­zent aller Haus­hal­te lebt in Japan heu­te nur eine Per­son. Ent­spre­chend gross ist die Nach­fra­ge nach Ange­bo­ten für die ein­sa­men Seelen.

Karao­ke und Nudel­sup­pe für den Einzelgänger

Hito-Kara, ein Zusam­men­zug des Wor­tes «Hito­ri Karao­ke» (dt. Ein­zel­ka­rao­ke), nennt sich die Ange­wohn­heit sich allei­ne mit Karao­ke zu ver­gnü­gen. So besitzt die Karao­ke­ket­te One Kara, die sich auf Hito-Kara spe­zia­li­siert hat, bereits sechs Able­ger in Tokio. In einem zwei Qua­drat­me­ter klei­nen, schall­ge­schütz­ten Zim­mer darf der Kun­de sich hier die Keh­le aus dem Hals singen.

Der­weil bie­tet die Ramen-Restau­ran­ket­te Ichi­ran ähn­lich wie in den Uni­ver­si­täts­kan­ti­nen von Kyo­to und Kobe ein­zel­ne Plät­ze mit seit­li­chen Trenn­wän­den an. Der Kun­de soll sich dabei ganz auf den Geschmack der Nudel­sup­pe fokus­sie­ren, heisst es. 40 Able­ger gibt es von Ichi­ran im gan­zen Land. Das spe­zi­el­le Restau­rant­kon­zept wur­de gar patentiert.

Nicht alle Kon­zep­te für Allein­gän­ger sind erfolg­reich. Das vor zwei Jah­ren im Tokio­ter Stadt­teil Ueno eröff­ne­te Bar­be­cue-Restau­rant für Ein­zel­kun­den (Asi­en­spie­gel berich­te­te) muss­te wegen man­geln­den Erfolgs wie­der schlies­sen. Gewis­se Din­ge machen in der Gemein­schaft immer noch mehr Spass.

Im Shop
Asienspiegel Abo
März 2024

Asi­en­spie­gel Abo

Ohne Abon­nen­ten kein Asi­en­spie­gel. Vor­tei­le für Abonnenten.

ABONNENT WERDEN

In Japan
E-Book

In Japan

Der prak­ti­sche Rei­se­füh­rer von Jan Knü­sel in der aktua­li­sier­ten Auf­la­ge 7.3. / 2024.

E-BOOK KAUFEN

Japan Bullet Train
Shinkansen

Japan Bul­let Train

Tickets für Shink­an­sen und Express­zü­ge online kaufen.

KAUFEN

Pocket-Wifi in Japan
Affiliate

Pocket-Wifi in Japan

Unli­mi­tier­ter Inter­net­zu­gang. 10% Rabatt-Code.

BESTELLEN

Airport Taxi
Affiliate

Air­port Taxi

Nari­ta und Hane­da ↔︎ Tokyo und Kan­sai ↔︎ Osa­ka: Air­port Taxi zum Pauschalpreis.

BESTELLEN

News­let­ter

ANMELDEN