Miyazaki tritt ab
«In einer Zeit, in der die Welt sich verändert und knarrende Töne von sich gibt, wäre es unvernünftig gewesen, weiterhin Fantasiewerke zu produzieren, wie wir es bis anhin getan haben», erklärte Hayao Miyazaki kurz nach der Premiere die Beweggründe für seinen neusten Anime.
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Kaze Tachinu (The Wind Rises) zeichnet die Geschichte von Jiro Horikoshi, der im Zweiten Weltkrieg Japans wichtigste Luftwaffe, den Mitsubishi-A6M-Zero-Kampfjet entwickelte, nach. Es ist das erste Mal überhaupt, dass Miyazaki das Leben einer wahren Person erzählt. Der Film hat in Japan nach den ersten sechs Wochen im Kino bereits über 80 Millionen Dollar eingespielt.
Der Rücktritt
Mit diesem realistischen Werk beendet der Meister der Fantasie nun seine Karriere. «Miyazaki hat entschieden, dass Kaze Tachinu sein letzter Film ist. Er tritt zurück», erklärte Koji Hoshino, Präsident von Miyazakis Produktionshaus Studio Ghibli, laut der Asahi Shimbun an einer Pressekonferenz während der Filmfestspiele von Venedig, wo der Kaze Tachinu zum ersten Mal in Europa gezeigt wurde.
Über seine Beweggründe werde Miyazaki noch diese Woche in Tokio informieren, hiess es weiter. «Er möchte dann allen auf Wiedersehen sagen», so Hoshino. Der 72-Jährige zog es dieses Mal vor, nicht nach Venedig zu reisen.
Eine einmalige Karriere
Damit neigt sich eine einmalige Karriere ihrem Ende zu. Der 72-jährige Hayao Miyazaki gründete 1985 gemeinsam mit Isao Takahata Studio Ghibli. Finanziert hatte er sich diesen Traum mit dem Erfolg seines Manga und Anime Kaze no Tani no Naushika (dt. Nausicaä aus dem Tal der Winde). Zuvor hatte er für verschiedene Produktionsstudios wie Toei gearbeitet und 1979 mit The Castle of Cagliostro seinen ersten abendfüllenden Anime-Film produziert.
Das Studio Ghibli wurde fortan zum Produktionshaus für eine ganze Reihe von stilprägenden und äusserst erfolgreichen Anime. Gleichzeitig förderte Miyazaki mit seinem eigenen Unternehmen angehende Künstler. Mit Prinzessin Mononoke (1997) und Chihiros Reise ins Zauberland (2001) gelang Miyazaki schliesslich der weltweite Durchbruch.
Chihiros Reise ins Zauberland gewann neben dem Oscar auch den Goldenen Bären der Berlinale. Heute gilt das Werk als einer der erfolgreichsten Zeichentrickfilme überhaupt. Mit Kaze Tachinu hat Miyazaki seinen insgesamt elften abendfüllenden Anime-Spielfilm realisiert.
Ein Anime, der polarisiert
In Venedig erhielt der Film bei seiner Premiere stehende Ovationen. Doch nicht überall stösst die Geschichte auf Begeisterung. Miyazakis realistischstes Werk polarisiert. Kurz nach der Premiere in Japan sprachen südkoreanische Medien von einer Verharmlosung einer Person, die eine zerstörerische Waffe des Zweiten Weltkriegs schuf. Gleichzeitig kritisierten japanische Konservative den Film für seine Antikriegs-Haltung.
Für Miyazaki ist es vielmehr ein Film über das Leben einer Person in einer aufwühlenden Zeit, die von einem Grossen Erdbeben, einer Wirtschaftskrise und einem zerstörerischen Krieg geprägt war. «Ich frage mich, ob jemand für alles haftbar gemacht werde kann, nur weil er in dieser Epoche gelebt hat», entgegnete Miyazaki der Kritik.
Die politische Seite
Hayao Miyazaki ist ein bekennender Kriegsgegner, der kein Blatt vor den Mund nimmt. In einem viel beachteten Kommentar kritisierte er vor ein paar Wochen, Premierminister Shinzo Abes Vorhaben, Japans Friedensverfassung ändern zu wollen (Asienspiegel berichtete). Seine Kindheit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg habe ihn geprägt. Er habe sich für die entsetzlichen Taten der japanischen Armee in China geschämt.
Mit Kaze Tachinu schliesst sich damit ein Kreis in Miyazakis Leben. Wie der Anime-Meister einen Rücktritt definiert, darüber streiten sich bereits die Experten. Bereits nach der Realisierung von Prinzessin Mononoke tönte Miyazaki 1997 seinen Rückzug an, um den Jüngeren den Vortritt zu geben. Nur wenige Jahre später krönte er mit Chihiros Reise ins Zauberland seine Karriere.
Die Wortwahl von Ghibli-Präsident Hoshino in Venedig lässt zudem die Interpretation zu, dass Miyazaki weiterhin an kürzeren Projekten arbeiten wird. Ganz von der Bildfläche verschwinden wird Miyazaki jedenfalls nicht. Dafür ist sein Einfluss zu gross.
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