AKW-Gegner Koizumi
Alles spricht zurzeit von Shinzo Abe. Japans Premierminister geniesst dank seiner wirksamen Wirtschaftspolitik des lockeren Geldes und seine Entschlussfreudigkeit seit Monaten konstant hohe Zustimmungsraten. Seit langem stehen die Chancen wieder mal gut, dass ein japanischer Regierungschef für mehrere Jahre im Amt bleiben wird. Zuletzt gelang ein solches Kunststück Abes Parteikollegen und Mentor Junichiro Koizumi zwischen 2001 und 2006.
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Ausgerechnet dieser Mann, der sich seit seinem Rücktritt in politischer Zurückhaltung übt, sorgt derzeit für einigen Wirbel und Kopfzerbrechen in der Liberaldemokratischen Partei (LDP). Der 71-Jährige Koizumi ist zu einem erklärten AKW-Gegner geworden.
Dies betonte er in einer Rede in Nagoya vor 2500 Personen. «In der Wirtschaftswelt halten viele den AKW-Ausstieg für unverantwortlich. Ich hingegen befürworte den Atomausstieg», zitiert die Chunichi Shimbun den ehemaligen Premierminister.
Die teure AKW-Produktion
Es sei unverantwortlich, Atomkraftwerke zu betreiben, ohne dabei ein Atommüllendlager zu besitzen. «Und auch wenn wir diesen Müll vergraben: Werden die Menschen bis in 100’000 Jahren damit korrekt umgehen können?» Bereits im August verglich ein Subkomitee der LDP dieses Problem des nicht entsorgten Atommülls mit «einer Wohnung ohne Toilette» (Asienspiegel berichtete).
Viele würden sagen, dass Japan zurzeit keine Alternative für den Atomstrom habe, fuhr Junichiro Koizumi in seiner Rede in Nagoya fort. «Wenn die Politik jedoch eine klare Richtung vorgibt, dann wird auch eine alternative Lösung hervorkommen», bemerkte er kritisch.
Die Bewilligung eines AKW-Betriebs in einer Gemeinde, die Dekontaminierung sowie die Kompensationszahlungen durch den AKW-Unfall in Fukushima würden zudem viel Steuergelder kosten. Es gebe keine Stromproduktion, die so teuer wie die Atomenergie sei, folgerte Koizumi. Dessen sei sich der Grossteil der Bevölkerung im Klaren.
Koizumis Besuch in Finnland
Ende August hatte Koizumi gegenüber der Mainichi Shimbun erstmals seine Anti-AKW-Haltung zum Ausdruck gebracht. Vor einer Woche hielt er zudem laut Gendai.net eine ähnliche Anti-AKW-Rede in Tokio. Koizumis Worte überraschen, denn noch während seiner Amtszeit war er ein klarer Befürworter der Nuklearenergie.
Koizumis wundersame Bekehrung begann nach dem AKW-Unfall in Fukushima. Schon im Mai 2011 sprach er von der Notwendigkeit, die AKW-Abhängigkeit seines Landes zu reduzieren. Seine endgültige Abkehr kam schliesslich bei einer Finnland-Reise in August, wo er zusammen mit japanischen AKW-Herstellern ein im Bau befindliches Atommüllendlager in Onkalo besuchte.
Diese finnische Megastätte ist so konzipiert, dass der Atommüll für 100’000 Jahre gelagert werden kann. Anstatt sich begeistert über die Sicherheit zu zeigen, kamen bei Koizumi Zweifel auf. «100’000 Jahre. Sie sagen, dass sie in 300 Jahren nochmals alles neu bewerten würden. Bis dann sind aber alle heute noch Lebenden tot», zitierte die Mainichi Shimbun den ehemaligen Premierminister. In Japan gebe es keinen Ort, um diesen Atommüll zu entsorgen. Es bleibe dem Land daher nichts anderes übrig, als vom Atomstrom wegzukommen.
Ratschlag an Abe?
Shinzo Abe wird kaum Freude an den Äusserungen seines Vorgängers haben. Der Premierminister hält weiterhin an der Nuklearenergie fest, auch wenn zurzeit kein einziges AKW in Betrieb ist und ein Wiederhochfahren dieses Jahr kaum in Aussicht steht (Asienspiegel berichtete). Der Betrieb der AKW-Nuklearenergie und deren Export bleiben wichtige Bestandteile seines Wachstumsprogramms.
Was nur will der ausgefuchste Politiker Koizumi mit seiner Haltung bewirken? Diese Frage stellen sich zurzeit die Experten in Japan. In seiner Rede in Nagoya betonte der 71-Jährige jedenfalls, dass alle oppositionellen Parteien für den Ausstieg seien. «Wenn nun die LDP eine klare AKW-Null-Haltung einnehmen würde, könnte der Atomausstieg auf einen Schlag an Fahrt gewinnen.» Eine Gesellschaft, die auf erneuerbare Energien setzt, sei so realisierbar.
Eine Mehrheit der Bevölkerung in Japan ist weiterhin für den Atomausstieg. Für Abe könnte das Festhalten am Atomstrom zur gefährlichen Sackgasse werden. So scheint Koizumi seinem alten Kollegen ganz einfach einen wichtigen Ratschlag geben zu wollen. Oder steckt doch mehr dahinter?
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