Ein Brief für den Tenno
Im Frühling und im Herbst lädt der japanische Kaiser zum Gartenfest. Am 1. November folgten rund 2000 ausgewählte Gäste der kaiserlichen Einladung und trotz striktem Protokoll wagte ein Neuling auf dem politischen Parkett den Tabubruch.
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Der neu gewählte Oberhaus-Abgeordnete, Schauspieler und erklärte Anti-AKW-Aktivist Taro Yamamoto überreichte dem Tenno, als dieser an ihm vorbeiging, einen Brief, mit der einfachen Bitte diesen zu lesen, wie die Nachrichtenagentur Jiji berichtet. Der etwas überraschte Kaiser nahm das Schreiben anständig entgegen, neigte kurz sein Haupt und übergab es einem Hofbeamten.
Später erklärte Yamamoto den Medien, dass er im Brief auf die verzweifelte Situation im AKW-Fukushima aufmerksam machen wollte. Ihm gehe es um die Kinder, die der Strahlenbelastung ausgesetzt seien, den erschreckenden Arbeitsbedingungen für die Rettungsarbeiter und die bedenkliche Krisenpolitik.
Der perfekte Skandal
In Japan ist der Skandal damit perfekt. Yamamoto habe mit seiner Aktion gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstossen und mit dem Brief versucht, politischen Einfluss auf den Tenno auszuüben, so die Kritik von Politikern aller Seiten. Sie fordern disziplinarische Massnahmen oder gar den Rücktritt Yamamotos. Laut Verfassung ist der Kaiser das Symbol Japans ohne weitere politische Funktion im Staat.
Yamamoto selbst sieht in seiner Aktion nichts Dramatisches. Er wollte dem Kaiser nur seine Gedanken mitteilen. Es handle sich keineswegs um eine politische Einflussnahme. Den genauen Inhalt des Briefes habe er bewusst nicht öffentlich preisgegeben.
Spielball Kaiserfamilie
Dass Politiker die Symbolkraft des Tennos für ihre Zwecke nutzen, ist nichts Neues. So nahm der Tenno dieses Jahr an einem von Premierminister Abe initiierten Gedenktag teil, der «die Wiedererlangung der Souveränität Japans» vom 28. April 1952 feiert. Doch nicht alle in Japan halten die Erschaffung dieses Feiertages für angemessen. Gerade in Okinawa, das noch weitere zwanzig Jahre unter amerikanischer Besatzung blieb, wird dieser Tag als Demütigung empfunden.
Auch am IOC-Treffen in Bueno Aires, als es um die Vergabe der Sommerspiele an Tokio ging, liess der Hofstaat Prinzessin Hisako teilnehmen. Hier wurde ebenfalls von einer Gefahr der politischen Einflussnahme des Kaiserhofs gesprochen.
Ein Anti-AKW-Aktivist der ersten Stunde
Für Taro Yamamoto ist der Tabubruch derweil nichts Neues. Der 38-Jährige hat sich seit der AKW-Katastrophe von Fukushima vom beliebten Schauspieler, der unter anderem in Battle Royale mitspielte, zum führenden Anti-AKW-Aktivisten gewandelt.
Yamamoto war der erste japanische Schauspieler nach Fukushima, der offen den Atomausstieg forderte. Bis dahin gab sich die Unterhaltungswelt bewusst apolitisch. Mit den Stromproduzenten, den grossen Sponsoren der Medienwelt, wollte es sich niemand verspielen.
Der Schauspieler bekam die Konsequenzen seiner freien Meinungsäusserungen schnell zu spüren. Ein Angebot für eine TV-Serie wurde kurzerhand zurückgezogen, kurz darauf verliess er seine Managementagentur, die ihm stets die lukrativen Rollen garantierte. Er schlug den Weg als selbständiger Schauspieler und unabhängiger Politiker ein.
Diese Jahr ist ihm schliesslich der grosse Sprung aufs nationale Parkett gelungen. Im Juli hat der 8. Tokioter Wahlkreis Yamamoto zum Abgeordneten des Oberhauses gewählt.
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