Ein Ausweg aus der China-Sackgasse
Wer Tokio regiert, der hat auch Einfluss auf die nationale Politik. Der langjährige Gouverneur der Hauptstadt-Präfektur, Shintaro Ishihara, wusste dies nur zu gut. Während seiner langen Amtszeit von 1999 bis Oktober 2012 mischte sich der polarisierende Politiker regelmässig in nationale Angelegenheiten ein.
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Ishihara persönlich stand am Anfang der aktuellsten Streitigkeiten um die Senkaku-Inseln, indem er 2012 ankündigte im Namen der Präfektur Tokio einige der Inseln von ihren japanischen Privatbesitzern zu erwerben (Asienspiegel berichtete). Es war der Anfang einer Eskalation, die bis heute anhält. Der 81-jährige Ishihara wechselte darauf in die nationale Politik.
Weil sein Nachfolger Naoki Inose wegen einer Spendenaffäre zurücktreten musste, wählt die Tokioter Bevölkerung am 9. Februar erneut einen neuen Gouverneur (Asienspiegel berichtete). Spätestens seit Ex-Premier Morihiro Hosokawa mit tatkräftiger Unterstützung von Ex-Premier Junichiro Koizumi seine Kandidatur angekündigt hat, ist die Aufmerksamkeit gross (Asienspiegel berichtete). Mit einer entschlossenen Haltung gegen die Atomenergie will dieser die Wähler von sich überzeugen.
Plan eines China-Besuchs?
Als ehemaliger Regierungschef blickt Hosokawa über Tokio hinaus. Er möchte auch die Spannungen mit China abbauen, die Ishihara damals aufgebaut hatte. Bei einer möglichen Wahl könnte er Peking schon bald einen Besuch abstatten, heisst es laut Yomiuri Shimbun im Umfeld von Hosokawa.
Legitimieren würde er eine solche Reise mit den offiziellen Beziehungen der Hauptstädte der beiden Länder. Nur wenigen ist bekannt, dass Tokio und Peking seit 1979 eine Städtepartnerschaft pflegen. Ausserdem sind die Chinesen mit über 160’000 Einwohnern in Tokio die grösste Minderheit.
Hosokawa geniesst in China einen guten Ruf. Er war der erste Premier, der die Verantwortung Japans im Zweiten Weltkrieg sowie sein Beileid für alle Kriegsopfer und Überlebenden zum Ausdruck brachte (Asienspiegel berichtete).
Seine Kontakte zu China sind nicht abgebrochen, wie seine politische Beraterin und Politikerin Yoriko Madoka NewsPostSeven erklärt. «Die freundschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu Jiang Zemin oder Hu Jintao hält Hosokawa bis heute aufrecht.» Schon zu Koizumis Zeiten, als jener ebenfalls den Yasukuni-Schrein aufsuchte, sorgte Hosokawa dafür, dass das Verhältnis mit China nicht völlig aus dem Ruder geriet.
Diplomatischer Stillstand
Der 76-jährige Hosokawa könnte unter diesen Voraussetzungen die Gespräche mit chinesischen Vertretern in Gang setzen, die Shinzo Abe verwehrt bleiben. Der aktuelle Premierminister ist mit seinen Aussagen zum Zweiten Weltkrieg, seinem Besuch im Yasukuni-Schrein und seiner aussenpolitischen Haltung von China und Südkorea zur unerwünschten Person erklärt worden.
China fordert von Abe, dass Japan zumindest die Existenz eines Territorialkonflikts anerkennt. In einem zweiten Schritt könnte man die Streitigkeiten fürs Erste auf Eis legen. Abe hingegen stellt sich auf den Standpunkt, dass es für Japan keinen Territorialkonflikt gibt (Asienspiegel berichtete). Die Grenzen seien klar gezogen und international anerkannt.
Koalition mit Koizumi
Auch bei der Atomenergie möchte Hosokawa andere Wege als die Zentralregierung gehen. Die Anti-AKW-Haltung hat ihn mit Junichiro Koizumi zusammengebracht, dem Parteikollegen und ehemaligen Mentor von Shinzo Abe. Koizumi hat sich im letzten Jahr zum entschiedenen AKW-Gegner gewandelt, ob aus Gründen der persönlichen Überzeugung oder aus parteipolitischem Kalkül sei dahingestellt.
An einer Pressekonferenz zum Auftakt des Wahlkampfs erläuterte Hosokawa seine Strategien für die Hauptstadt, wie die Mainichi Shimbun berichtet. Es sei nun eine einmalige Gelegenheit, die zurzeit 50 ruhenden AKW-Reaktoren für immer abgestellt zu lassen und eine Energiewende zu wagen, welche auch neues Wirtschaftswachstum bieten würde.
Die Regierung Abe vertritt derweil die Haltung, dass es ohne AKW nicht geht. Ausserdem möchte Hosokawa 2020 nach eigenen Worten «einfache» Sommerspiele in Tokio austragen lassen, welche den vom Tsunami zerstörten Nordosten integriert.
Sorge wegen Doppel-Diplomatie
Von Tokio aus wollen die beiden Ex-Premiers die nationale Politik umkrempeln. Für Ärger sorgen sie jetzt schon. Der Regierung Abe gefällt die Idee einer Doppel-Diplomatie überhaupt nicht. «Wenn der Gouverneur der Hauptstadt aussenpolitisch eine andere Haltung einnimmt als der Regierungschef, könnten dies China und Südkorea zu ihrem Vorteil ausspielen», äussert sich ein Regierungsoffizieller gegenüber der Yomiuri Shimbun besorgt.
Schon einmal versuchte sich mit Yukio Hatoyama ein Ex-Premier in der Doppel-Diplomatie mit China. Vor einem Jahr besuchte er ohne offizielles politisches Amt oder Auftrag die Stadt Nanjing, um sich für das Massaker von 1937 zu entschuldigen. Verteidigungsminister Itsunori Onodera bezeichnete Hatoyama in der Folge indirekt als «Landesverräter» (Asienspiegel berichtete).
Es stellt sich die Frage, wie die japanische Zentralregierung reagiert, wenn ein amtierender Gouverneur Hosokawa nach China reisen würde? Noch muss sich Abe keine Gedanken darüber zerbrechen. Denn Hosokawa muss zuerst die Wahlen am 9. Februar gewinnen. Bis dahin ist es ein steiniger Weg und der von Abe unterstützte Gegenkandidat Yoichi Masuzoe liegt in den Umfragen weiterhin vorne.
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