Die Gyoza-Hauptstadt
Utsunomiya mag nur wenigen ausländischen Besuchern ein Begriff sein. Die Hauptstadt der Präfektur Tochigi im Norden von Tokio ist für viele lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg ins pittoreske Nikko, wo Japans Shogun Tokugawa Ieyasu begraben liegt.
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Wer sich jedoch für einen Aufenthalt in Utsunomiya entscheidet, der wird nicht um ein Gericht herumkommen. So dreht sich für die 500’000 Einwohner alles um Gyoza. Es ist die japanische Variante der chinesischen Teigtasche Jiaozi, die mit gewürztem Gemüse oder Fleisch gefüllt, angebraten und anschliessend gedämpft werden.
Über 200 auf Gyoza spezialisierte Restaurants zählt Utsunomiya, das auch stolz den Übernamen «Gyoza-Hauptstadt» trägt. Selbst eine steinerne Gyoza-Statue gibt es am Bahnhof zu bewundern. Doch wie kam es dazu? Eine Legende besagt, dass japanische Soldaten die Teigtaschen-Kultur nach dem Zweiten Weltkrieg von China nach Utsunomiya brachten. Eine einfachere Erklärung ist, dass die Umgebung der Stadt seit jeher bekannt für ihren guten Schnittlauch ist, eine wichtige Zutat für die Gyoza.
Die wichtige Statistik
Letztendlich erlangte Utsunomiya wohl nationale Berühmtheit dank der 1987 eingeführten Statistik, welche den jährlichen Konsum von Supermarkt-Teigtaschen pro Haushalt und Stadt angibt. Wie selbstverständlich führte die Hauptstadt von Tochigi zwischen 1987 und 2010 diese Rangliste mit einem einzigen kurzen Unterbruch, 1995, an.
Die Behörden von Utsunomiya nutzten diese Zahlen, um die Stadt als Gyoza-Mekka zu vermarkten. Dies führte plötzlich dazu, dass zahlreiche Touristen nicht nur am Bahnhof umstiegen, sondern gleich einen kulinarischen Ausflug in die Hauptstadt von Tochigi wagten. Die Zahl der Gyoza-Restaurants vervielfachte sich, der Ruf der Gyoza-Hauptstadt festigte sich. Für die lokale Wirtschaft wurde die Teigtasche zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor.
Über Jahre schien Utsunomiyas Stellung ungebrochen – bis 2011 Konkurrenz auftauchte. Die Stadt Hamamatsu in der Präfektur Shizuoka hatte bezüglich Gyoza-Konsum ganz überraschend den ersten Rang eingenommen und verteidigte diesen im Jahr darauf.
In Utsunomiya tröstete man sich mit der Tatsache, dass der Gyoza-Konsum in den Restaurants nicht in der Konsumentenstatistik verfasst ist. So gesehen sei man immer noch die Nummer 1. Man erklärte sich den Abstieg auf den zweiten Rang mit dem allgemeinen Konsumrückgang in der Region nach der Dreifachkatastrophe vom März 2011. Tochigi hatte als Nachbarpräfektur von Fukushima etwas mehr zu leiden als andere Regionen.
Mission Rückeroberung
Trotzdem gab man sich mit dem zweiten Rang nicht zufrieden. Die Rückkehr zur Nummer 1 wurde zur Chefsache erklärt. Mit Werbeveranstaltungen und einem Gyoza-Song animierte die lokale Regierung ihre Bewohner zu mehr Konsum. Die Massnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Gemäss der aktuellsten Statistik des Innenministeriums hat Utsunomiya im vergangen Jahr Hamamatsu wieder überholt.
Laut SBS News gab ein Haushalt in Utsunomiya durchschnittlich 4919 Yen (35.70 Euro) für Gyoza aus, während es in Hamamatsu noch 4155 Yen (30.15 Euro) waren. Mediengerecht feierten die Stadtregierung und die Goyza-Restaurantführer das zurückgewonnene Selbstvertrauen.
Und auch in Hamamatsu gab man sich als faire Verlierer, wie die Sankei Shimbun berichtet. Das Resultat zeige, dass sich Utsunomiya von den Folgen des Grossen Erdbebens wirtschaftlich wieder erholt habe, das sei doch eine gute Sache, wurde betont.
Hamamatsu wird auch aus einem anderen Grund die Niederlage ohne weiteres verkraften. Denn die Stadt hat noch einen weiteren Trumpf in der Hand. Ihr Aal aus dem Hamana-See hat den Ruf der Beste des Landes zu sein.
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