Japans Tanzverbot
In Japan besagt ein Gesetz, dass Lokalitäten, die Tanz anbieten wollen, eine Bewilligung von den lokalen Behörden brauchen. Ausserdem müssen alle Clubs, die eine solche Lizenz besitzen, bis spätestens Mitternacht ihre Tore schliessen. Hinzu kommt eine ganze Reihe an Vorgaben und Restriktionen. So muss man beispielsweise für eine Tanzbewilligung eine freie Fläche anbieten, die mindestens 66 Quadratmeter gross ist.
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Es handelt sich um Vorgaben, die kein moderner Klub mehr einhalten kann. Das sogenannte Fueiho-Gesetz wurde 1948 eingeführt, um alle Bereich der Unterhaltungsindustrie, vom Rotlicht über Glücksspiel bis zu Klubs und Bars, zu regulieren. Damals, als es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg darum ging, die grassierende Kriminalität und Prostitution effizient zu bekämpfen, mochte das Gesetz noch Sinn gemacht haben.
Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Und so kam es, dass die meisten Clubs in Japan die Tanz-Bewilligung gar nicht einholten, um nicht den Fueiho-Restriktionen zu unterliegen und die Öffnungszeiten weit in die Morgenstunden verlängern zu können. Kaum jemand störte sich daran. Die Polizei drückte ein Auge zu und liess sie gewähren. Während Jahrzehnten konnten die Club-Besitzer darauf zählen, dass sie deswegen nicht in Schwierigkeiten geraten würden.
Die Polizei greift hart durch
Doch seit 2010 kam es bei der Polizei zu einem Umdenken. Razzien in Clubs in Osaka, Nagoya und Tokio nahmen zu. Viele bekannte Clubs mussten temporär oder für immer schliessen, weil sie gegen das Tanzverbot verstossen hatten. Plötzlich fühlen sich viele Besitzer der Willkür ausgesetzt. Niemand weiss, wen es als nächstes treffen wird. In der Not haben viel Barbesitzer begonnen, die Gäste schriftlich darauf aufmerksam zu machen, dass Tanzen bei ihnen nicht erlaubt sei (siehe Foto oben). Andere stellen kurzerhand Tische auf die Tanzfläche.
Der prominenteste Fall war die Verhaftung von Masatoshi Kanemitsu, dem Besitzer des Osakaer Clubs Noon, der einen guten Ruf genoss und all die Jahre nie in Probleme geriet. Am 4. April 2012 wurde er nach einer Razzia in seiner Lokalität mit sieben weiteren Angestellten verhaftet. Während 22 Tagen war Kanemitsu in Untersuchungshaft. Schliesslich erhob die Staatsanwaltschaft Klage gegen ihn.
Beim Prozess ging es am Ende um die Frage, ob der 51-jährige seinen Gäste «obszönen Tanz» erlaubte und damit «die sexuelle Sitten» verstossen habe. Die Staatsanwaltschaft forderte sechs Monate Haft und eine Geldstrafe in der Höhe von 1 Million Yen (7000 Euro). Kanemitsu und seine Verteidigung warfen dagegen dem Staat vor, mit dem Fueiho-Gesetz gegen die Verfassung zu verstossen, da damit die Meinungsäusserungsfreiheit eingeschränkt werde.
Die möglichen Gründe
In der Clubwelt rätselt man über die zunehmende Härte und die plötzliche Anwendung eines nicht mehr zeitgemässen Gesetzes. Es wird vermutet, dass vereinzelte Drogenskandale und Gewalttaten in den Ausgehvierteln sowie deren mediale Begleitung die Polizei zum Handeln zwang (Asienspiegel berichtete).
Die Zahl der Bars und Clubs ist in den letzten Jahren ebenfalls angestiegen und damit auch die Lärmklagen. Andere munkeln, dass die Polizei das Gesetz nur vordergründig anwende, um Untersuchungen bei einfachen Verdachtsfällen bezüglich Drogenmissbrauch oder anderen kriminellen Fällen zu vereinfachen. Nichts ist einfacher, als jemanden wegen des Tanzverbots zu verhaften und schliesslich ausführlich zu vernehmen.
Trotzdem kommt Bewegung in die Sache. Der Fall um Kanemitsu hat viele gerade junge Menschen empört. Im Internet wurde eine Kampagne gegen das umstrittene Gesetz gestartet. Der Dokumentarfilm «Save the Club Noon» hat die Problematik einem grösseren Publikum bekannt gemacht. Auch im japanischen Parlament sucht eine überparteiliche Gruppierung eine Lösung, um das Gesetz zu revidieren.
Freispruch für Kanemitsu
Zwei Jahre nach der Razzia im Club Noon wurde nun ein Urteil gefällt. Das Gericht in Osaka hat Masatoshi Kanemitsu freigesprochen, wie die Mainichi Shimbun berichtet. Die Gäste im Club hätten nicht obszön getanzt. Es sei auch kein Verstoss gegen die Sitten feststellbar. Das Gericht urteilte auch, dass der Club Noon nicht unter das Fueiho-Gesetz falle und deutete damit auch an, dass die Polizei auch bei anderen Razzien wohl zu weit gegangen ist.
Gleichzeitig hat der Richter aber das Tanzverbotsgesetz «als notwendig und vernünftig» bezeichnet. Es verstosse nicht gegen die Verfassung und sei wichtig für die gesunde Entwicklung der Jugend.
Kanemitsu zeigte sich zumindest über den Freispruch erleichtert. Manche sprechen von einem wegweisenden Entscheid. Erstmals hat ein Gericht den Anwendungsbereich des Gesetzesartikeles deutlich eingeschränkt. Kanemitsus Weg ist dennoch nicht zu Ende. Er hat angekündigt, sich weiterhin für eine Gesetzesrevision stark zu machen.
Das Gericht verkündet den Freispruch für Kanemitsu.
Update, 21. Mai 2014
Eine überparteiliche Kommission hat laut der Mainichi Shimbun einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Künftig sollen Clubs, wo getanzt wird, aus dem Fueiho-Gesetz entfernt und als gastronomische Betriebe behandelt werden. Eine weitere Neuerung sieht vor, dass diese Clubs bis 6 Uhr morgens geöffnet haben dürfen. Der Gesetzesrevision werden gute Chancen eingeräumt.
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