Sushi-Diplomatie bei Jiro
Barack Obama ist gestern zur Staatsvisite am Tokioter Flughafen Haneda gelandet. Bis am Freitag wird der Besuch dauern. Die Sicherheitsmassnahmen für den hohen Besuch sind gigantisch. Schliessfächer an den Bahnhöfen sind seit Tagen verriegelt, Mülltonnen und Getränkeautomaten versiegelt (Asienspiegel berichtete). Eine Millionenstadt richtet sich nach einem Mann.
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Und wenn Obama schon einmal Tokio für sich hat, dann will er auch bei den Besten speisen. Gestern Abend ging es gemeinsam mit Premierminister Shinzo Abe zu Sushi-Gott Jiro Ono und dessen Sohn Yoshikazu. Der Guide-Michelin-3-Sterne-Koch besitzt seit 1965 ein kleines, bescheidenes Lokal mit dem Namen Sukiyabashi Jiro im Untergrund, ganz in der Nähe der Tokioter U-Bahn-Station Ginza.
Beim 88-jährigen Jiro gibt es einen Tresen mit 10 Plätzen. Menü gibt es nur eins: Es sind 20 schlicht-perfektionistische Sushi-Kreationen, die nacheinander von Jiro serviert werden. Die Kosten pro Person belaufen sich auf mindestens 30’000 Yen (225 Euro). Eine Reservation muss Wochen im Voraus getätigt werden (Asienspiegel berichtete).
Ausnahmezustand für ein kleines Lokal
Bereits Tage vor Obamas Ankunft war der Besuch bei Jiro ein grosses Thema in den japanischen Medien. Am Abend selbst wurde fleissig über die massive Sicherheitspräsenz rund um das kleine Lokal und die Ankunft der Präsidenten-Limousinen getwittert. Einen solchen Rummel hat wohl selbst Jiro noch nie erlebt.
Die Einladung fädelte übrigens Premierminister Shinzo Abe persönlich ein. Er soll gehört haben, dass Obama Sushi möge. In Japan ist es ziemlich ungewöhnlich, dass ein Staatsbesuch in einem kleinen Restaurant im Untergrund anfängt. Normalerweise lädt der Premier am ersten Tag zum Abendessen im Amtssitz.
Es sei die gemütliche Atmosphäre am Tresen, welche zum besserem Austausch zwischen Obama und Abe soll, meinte eine dem Premierminister nahe Quelle gegenüber der Mainichi Shimbun. Schulter an Schulter, mit einem Glas Sake, sitzen hier die Regierungschefs nebeneinander. So gehen zumindest für einen Moment auch heikle Themen wie der Yasukuni-Besuch oder die harzenden Verhandlungen zum transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) vergessen.
Gleichzeitig ist Jiro zu einem verbindenden Element zwischen den beiden Kulturen geworden. Über den Sushi-Meister berichten auch die amerikanischen Medien nur wohlwollend. Einer seiner ehemaligen Lehrlinge führt heute in New York sogar ein Restaurant (Asienspiegel berichtete).
Kill Bill und Grüntee-Eis
Ganz nebenbei führt Japan damit seine «Essens-Diplomatie» mit den USA fort. 2002 gingen der damalige Premierminister Junichiro Koizumi und Präsident George W. Bush ins legendäre Restaurant Gonpachi in Roppongi, dessen Kulisse als Inspiration für eine Szene im Film Kill Bill diente.
Vor fünf Jahren war es dann ein Grüntee-Eis in Kamakura für Obama, das ihn an seine Japan-Reise in seiner Kindheit erinnerte (Asienspiegel berichtete). Und dieses Mal musste es Jiros «Sushi-Diplomatie» richten.
Nichts Neues für Jiro
Exakt 100 Minuten dauerte der Besuch bei Jiro, bei dem auch Botschafterin Caroline Kennedy mit von der Partie war. Als Hawaiianer habe er schon viel Sushi gegessen, aber diese seien die Allerbesten gewesen, soll Obama Abe gesagt haben, wie die Nikkei Shimbunberichtet.
Was Jiro über den Besuch gedacht hat, ist nicht weiter bekannt. Es war nicht der erste Besuch einer amerikanischen Berühmtheit. Immerhin waren vor Obama auch schon Tom Cruise, Hugh Jackman, Anne Hathaway oder Arnold Schwarzenegger bei ihm.
Zu verdanken hat Jiro seinen Kultstatus im Westen dem Dokumentarfilm Jiro Dreams of Sushi des US-Regisseurs David Gelb. Kein anderer Film hat das japanische Traditionsgericht besser inszeniert und zelebriert.
Die Präsidenten-Limousine fährt zu Jiro.
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