Eine Zeitreise durch Tokio
Travel – Wer zum ersten Mal nach Tokio reist, der besucht gewöhnlich so pulsierende Viertel wie Shibuya, Shinjuku oder Ginza – oder landet im Massentourismus von Asakusa. Vielen wird die schiere Grösse der Stadt und Bevölkerungsdichte schnell einmal zu viel. Man reist weiter und hat das Gefühl, Tokio gesehen zu haben. Dabei bietet die 35-Millionen-Metropole so viele andere kleine und ruhige Orte, wo die Zeit stehen geblieben ist und die Wolkenkratzer noch weit weg sind.
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Genau diese dörflichen Orte zeichnen die japanische Hauptstadt aus. Unzählige gibt es davon und ständig gibt es neue, versteckte Gässchen zu entdecken. In keiner anderen Kapitale liegen Vergangenheit und Zukunft so nahe beieinander. Im Folgenden stelle ich Ihnen vier meiner Lieblingsorte in Tokio vor, wo alles noch ein wenig gemächlicher zu und her geht. Sehen Sie dazu auch den obigen Kurzfilm «Tokyo Time Travel», in dem alle diese Orte zu sehen sind.
Ome
Ome liegt im Westen der Präfektur Tokio, ausserhalb der 23 grossen Stadtbezirke. Rund eine Stunde dauert die Fahrt mit der JR-Chuo-Linie von der Tokyo-Station oder von Shinjuku in dieses verschlafene Städtchen, wo die Zeit stehen geblieben ist. In den 50ern und 60ern flüchteten die Tokioter an den Wochenenden hierhin, um die Natur und die Berge der Umgebung zu geniessen. Die Einführung des Shinkansen 1964, die allgemeine Erweiterung des Verkehrsnetzes und bessere Löhne erlaubten den Tokiotern auf einen Schlag noch viel weiter gelegene Tagesausflüge. Ome geriet in Vergessenheit. Der kleine Stadtkern blieb dadurch von der Modernisierung verschont.
Bis heute versprüht der Ort die Nostalgie der Showa-Nachkriegszeit (Showa-Zeit: 1926 – 1989). Und genau diese Retro-Atmosphäre hat die Stadt wieder zu einem Geheimtipp werden lassen. Bereits bei der Ankunft erwartet einen eine Bahnhofstafel im Showa-Stil und eine alte, hölzerne Wartehalle. Zur Nostalgie des Ortes tragen vor allem die unzähligen, von Hand gemalten Filmplakate japanischer und westlicher Filme bei, die allesamt von einem Plakatkünstler des Ortes stammen. Früher verdiente man in diesem Gewerbe noch gutes Geld, heute sind sie noch eine Erinnerung an die goldenen Tage des Kinos.
Selbst die Restaurants im Ort lebt die Showa-Kultur weiter. Im Restaurant Natsue no tobira gleich über den Geleisen gibt es herrliches Curry-Reis. Nach der Besichtigung der Stadt bietet sich ein Spaziergang auf dem dicht bewaldeten Berg gleich hinter dem Bahnhof Ome an. Ein Aussichtspunkt erlaubt bei gutem Wetter einen Blick auf die Wolkenkratzer Tokios.
Yanesen
Yanesen steht für die drei Quartiere Yanaka, Nezu und Sendagi. Hier lebt die Atmosphäre des alten Tokios mit den Gässchen, Tempeln, zahlreichen Läden, Restaurants und Pärken auf. Kleine Häuser und verschlungene Wege zeichnen diese Viertel aus. Noch tummeln sich hier vorwiegend japanische Besucher. Im Unterschied zum nahe gelegenen, massentouristischen Asakusa ist es hier noch angenehm ruhig. Die Gegend bietet sich für einen längeren Spaziergang an. Von der Station Nishi-Nippori ausgehend, kann man durch alle Quartiere schlendern und sogar zu Fuss über Ueno, Akihabara bis nach Ginza gehen.
Ein Blickfang ist die Yanaka-Ginza, die alte, enge Einkaufsstrasse, wo sich alles noch wie in den 50er-Jahren anfühlt. Etwas weiter südlich, nur unweit des Ueno-Parks gelegen, liegt der Nezu-Schrein mit seinen unzähligen roten Torii-Bögen und einem Schreingarten, der mit 3000 Azaleenbüschen und einem Karpfenteich die Hektik der Grossstadt vergessen lässt.
Togoshi-Ginza
Noch bevor die grossen Einkaufshäuser aufkamen, spielte sich das Leben in den klassischen Einkaufsstrassen, den sogenannten Shōtengai mit ihren zahlreichen Geschäften und Restaurants ab. Noch gibt es diese überall im Land. Doch viele kämpfen gegen ihren wirtschaftlichen Untergang (Asienspiegel berichtete). In Tokio nennt sich die längste Shōtengai Togoshi-Ginza.
1,3 Kilometer lang ist sie, 400 Geschäfte sammeln sich hier an, täglich suchen über 10’000 Passanten die Einkaufsstrasse auf (Station: Togoshi-Ginza). Hier ist man dem klassischen Tokioter Leben sehr nahe. Ausländische Touristen finden nur selten den Weg hierher. An den zahlreichen Ständen gibt es leckere Yakitori-Spiesschen oder Kroketten für wenig Geld. Diese beim Gehen zu konsumieren, ist an diesem Ort ausdrücklich erlaubt.
Rinshi no mori
In Tokio gibt es zahlreiche Parkanlagen, die zum Verweilen einladen. Rinshi no Mori in Meguro (Bahnhof Musashi-Koyama) unterscheidet sich jedoch von allen anderen. Ursprünglich wurde dieser Park 1900 als Pflanzenschule und Experimentierfeld von der Landwirtschaftsbehörde betrieben. Die Forscher pflanzten hier mehrere hundert japanische und ausländische Baumsorten an, um für Tokios Pärke und Strassen die geeigneten Exemplare zu finden. 1989 wurde der Park der Stadt übergeben.
Der Rinshi no Mori zeichnet sich durch seine dichte Bewaldung aus. Die Bäume sind hier so hoch, dass sie den Besuchern ungewöhnlich viel Schatten spenden. In den heissen Sommermonaten ist dies der perfekte Ort, um sich ohne Klimaanlage etwas abzukühlen. Die Parkanlage mit der Steinbrücke, den Baseball-Feldern und Bänken erinnert fast ein wenig an eine Miniversion des Central Parks in New York.
Zurück in die Zukunft
Wer genug von der Ruhe und der Nostalgie hat, dem empfehle ich eine Übernachtung oder ein Nickerchen im neuen, futuristischen Designer-Kapselhotel 9 Hours im Internationalen Flughafen von Narita. Hier wurde das Ende der 1970er-Jahre für die übermüdeten Salaryman entwickelte Röhrenkonzept in die Zukunft geführt. Der Mief der klassischen Kapseln ist weg. Das Design erinnert an einen Science-Fiction-Film. Ausserdem gibt es auch ein Abteil für Frauen, was keine Selbstverständlichkeit für Röhrenhotels ist. Dasselbe Hotel gibt es übrigens auch in Kyoto.
Praktische Reise-, Alltags- und Essentipps für Ihre Japan-Reise gibt es im Asienspiegel-Reisebegleiter «In Japan», der soeben in der 2. überarbeiteten Auflage erschienen ist. Sie können das Buch online oder in allen Buchhandlungen bestellen. Im Travel Book Shop oder in der Buchhandlung im Volkshaus in Zürich ist das Buch zudem ab Lager erhältlich.
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