Japans heiliger Reis
Für Japan ist der Reis das Grundnahrungsmittel, das es zu pflegen und zu schützen gilt. Es ist gar das einzige Lebensmittel, bei dem Japan Selbstversorger ist. Mit einem horrenden Importzoll von 778 Prozent wird der heimische Markt seit Jahrzehnten geschützt (Asienspiegel berichtete).
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Für die meisten Japaner kommt denn auch nicht in Frage, ausländischen Reis für die japanische Küche zu verwenden. Nur der japanische Rundkornreis entspreche den hohen Ansprüchen, ist der allgemeine Tenor. Von den jährlich 770’000 Tonnen, die Japan seit der GATT-Uruguay-Runde 1993 von anderen reisproduzierenden Ländern abkaufen und importieren muss, bleibt ein Grossteil ungenutzt oder endet als Viehfutter.
Ein hoch regulierter Markt
Angebaut wird der Reis in Japan von Bauern zumeist auf kleinen Feldern. Für die Abnahme und den Verkauf des Reises sorgt die Dachorganisation Japan Agricultural Cooperatives Group, kurz JA-Zenchu. Diese sorgt dafür, dass der Landwirtschaftsmarkt abgeschottet und die Preise auf möglichst hohem Niveau bleiben.
Die Kleinbauern sind derweil auf JA-Zenchu angewiesen. Unternehmerischen Freiraum gibt es kaum. Der Einfluss der JA-Zenchu ist immens. Die Organisation führt heute eine Bank (Norin Chuo Ginko), eine Versicherung (Zenkyoren) und Kliniken auf dem Land (JA Zenkoren). Die JA-Zenchu konnte politisch jahrelang auf die Unterstützung der ewigen Regierungspartei der Liberaldemokraten (LDP) zählen. Im Gegenzug waren der LDP die Stimmen der Bauern sicher. Doch die Zeiten ändern sich.
Es wird weniger Reis gegessen
Der Reiskonsum ist in den letzten zwei Jahrzehnten um 20 Prozent gesunken. 2006 konsumierte jeder Japaner im Schnitt 61 Kilo Reis pro Jahr. Im Jahr 1960 war der Pro-Kopf-Verbrauch mit rund 115 Kilo fast doppelt so hoch (Asienspiegel berichtete). Ein Grund dafür ist die zunehmende Beliebtheit von Weizenprodukten. So ist beispielsweise schon lange nicht mehr Reis, sondern Brot das bevorzugte Frühstück des Japaners (Asienspiegel berichtete).
Ausserdem sorgt die Überalterung für eine massive Abnahme bei der Nachfrage. Die heute rund 3 Millionen Reisbauern sind durchschnittlich 70 Jahre alt. Von den 2,5 Millionen Hektaren Reisfeldern liegen heute rund 1 Million Hektaren brach, wie die Financial Times berichtet. Mit den für JA-Zenchu sinkenden Einnahmen ist in den letzten Jahren auch der Einfluss gesunken. Der japanische Reis ist heute nicht mehr viel teurer als der kalifornische Rundkornreis.
Der velorene politische Einfluss
Mit Premierminister Shinzo Abe ist nun erstmals auch ein Vertreter der Liberaldemokraten an der Macht, der nicht nur bereit ist, das Machtmonopol der JA-Zenchu zu brechen, sondern auch die politische Mehrheit verfügt, um dies umzusetzen. Eine valable Alternative zu den Liberaldemokraten gibt es für die JA-Zenchu nicht.
Abe hat die Restruktuierung des Landwirtschaftssektors zu einem Hauptpfeiler seines Wirtschaftsprogramms gemacht. So hat im August das Parlament ein Gesetz durchgebracht, das den politischen Einfluss der Landwirtschaftskooperativen beschneidet und das Unternehmertum im Agrarsektor fördern soll.
Das Freihandelsabkommen
Mit dem Abschluss der Verhandlungen zum TPP-Freihandelsabkommen hat Premier Abe einen weiteren Schritt zur Reorganisation des Landwirtschaftssektors vollzogen. Die künftig grösste Freihandelszone der Welt wird 12 Länder im pazifischen Raum umfassen, die 40 Prozent der Weltwirtschaftsleistung abdecken. Handelsrestriktionen und Zollschranken für verschiedenste Güter werden abgebaut oder gänzlich fallen. Das Abkommen mit den Wirtschaftsgiganten USA und Japan soll als Gegengewicht zum wachsenden politischen Einfluss Chinas in der Region dienen.
Premier Abe rechnet mit neuen Export- und Wachstumschancen für die japanische Wirtschaft. Dafür war er auch bereit, die Einfuhrhürden für zahlreiche, zentrale japanische Landwirtschaftsprodukte abzubauen, trotz des Widerstandes von JA-Zenchu und vieler Bauern. So soll beispielsweise der Importzoll für Rindfleisch innerhalb von 16 Jahren von 38,5 Prozent auf 9 Prozent gesenkt werden.
Mit dem neuen Abkommen hat Japan zwar den Zollsatz von 778 Prozent für Reis aufrechterhalten können. Gleichzeitig werden Australien und die USA künftig jährlich bis zu 78’000 Tonnen nach Japan zollfrei exportieren dürfen. Somit wird Japan künftig pro Jahr insgesamt 850’000 Tonnen ausländischer Reis importieren. Dies macht rund 10 Prozent des jährlichen Reiskonsums in Japan aus.
Das Ende des unantastbaren Reises
Es bleibt eine überschaubere Zahl. Dennoch befürchten viele Vertreter der japanischen Landwirtschaft nun, dass der Preiszerfall des Reises weiter beschleunigt und die Tür zur weiteren Liberalisierung das Markts damit weit geöffnet wird. Die Billig-Sushi-Kette Kurazushi hat einen Tag nach dem TPP-Verhandlungsabschluss angekündigt, den Kauf von kalifornischem Reis zu prüfen, falls dieser billiger und qualitativ gut sei, wie NHK News berichtet. Andere wiederum argumentieren, dass es auch eine Chance sein könnte, den qualitativ hochwertigen japanischen Reis, der besonders in Asien gefragt ist, vermehrt zu exportieren.
Die japanische Regierung hat angekündigt, die möglichen Folgen für die Bauern mit Gegenmassnahmen abfedern zu wollen. Noch muss das TPP-Abkommen von allen Ländern abgesegnet werden. Doch so viel ist schon klar: Die japanische Reisbranche steht vor grossen Umbrüchen.
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