Gras­fres­ser ver­set­zen Japan in Aufregung

Keine Lust auf Fleisch: Japans junge Männer ziehen Gras vor.
Kei­ne Lust auf Fleisch: Japans jun­ge Män­ner zie­hen Gras vor. flickr/​wili_​hybrid

Alle paar Jah­re macht in Japan ein neu­er Trend­be­griff für ein gesell­schaft­li­ches Phä­no­men die Run­de. Zur­zeit sind die «Gras­fres­sen­den Män­ner» (sous­ho­ku dan­shi) an der Rei­he. Den Begriff geschaf­fen hat die Kolum­nis­tin Maki Fuka­sa­wa. Er bezeich­net jun­ge Män­ner, die wenig Inter­es­se an Sex haben und sich am liebs­ten in den Fami­li­en- und Freun­des­kreis zurück­zie­hen, um ein ruhi­ges, unschein­ba­res Leben ohne gros­se mate­ri­el­le Ansprü­che führen.

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Media Shakers, eine Toch­ter­fir­ma von Japans gröss­ter Wer­be­agen­tur Dentsu, schätzt, dass min­des­tens 60 Pro­zent der Män­ner Anfang 20 und min­des­tens 42 Pro­zent der 23- bis 34-jäh­ri­gen sich selbst als Gras­fres­ser sehen. Die japa­ni­sche Part­ner­ver­mitt­lungs­agen­tur Part­ner Agent fand in einer Umfra­ge her­aus, dass 61 Pro­zent der unver­hei­ra­te­ten Män­ner in den 30ern sich als Gras­fres­ser bezeich­nen, berich­tet das Online-Maga­zin Sla­te.

Gras­fres­ser wer­den zum Gesellschaftsthema

Obwohl die jun­gen Gras­fres­ser eigent­lich ganz harm­los sind, haben sie in Japan eine gros­se Debat­te aus­ge­löst. Am Fern­se­hen und in den Medi­en wird hef­tig dar­über dis­ku­tiert, wie die seit den frü­hen 1990er-Jah­ren anhal­ten­de wirt­schaft­li­che Sta­gna­ti­on das japa­ni­sche Män­ner­bild ver­än­dert hat. Die Fir­men ihrer­seits sind um den Absatz ihrer Pro­duk­te besorgt, wenn ein Teil der nor­ma­ler­wei­se gut ver­die­nen­den jun­gen Män­ner plötz­lich anfängt zu gärt­nern oder wan­dern zu gehen, anstatt ihr ver­füg­ba­res Ein­kom­men für Autos, Uhren oder Golf auszugeben.

Die «Gras­fres­sen­den Män­ner» ver­set­zen ganz Japan in Auf­re­gung, weil sie gleich zwei der gröss­ten Her­aus­for­de­run­gen der japa­ni­schen Gesell­schaft betref­fen: die sin­ken­de Gebur­ten­ra­te und den blut­lo­sen Pri­vat­kon­sum. Die Gras­fres­ser prak­ti­zie­ren einen stil­len Pro­test gegen die männ­li­chen und mate­ria­lis­ti­schen Wer­te, wel­che mit Japans Bla­sen­wirt­schaft der 1980er-Jah­re ver­bun­den sind.

Vor der Bub­b­le war alles anders

Bevor die Bla­se platz­te, hat­ten die japa­ni­schen Fir­men Arbeits­plät­ze auf Lebens­zeit garan­tiert. Die jun­gen Sala­ry­men konn­ten sich dar­auf ver­las­sen, dass sie ihr Gehalt auch in Zukunft erhal­ten wür­den, und konn­ten so ihrer Freun­din auch mal eine teu­re Hals­ket­te oder ein roman­ti­sches Abend­essen in einem fran­zö­si­schen Restau­rant offerieren.

Heu­te sind 40 Pro­zent der Japa­ner nicht fest ange­stellt, mit ent­spre­chend gerin­ger Arbeits­platz­si­cher­heit. «Als die Wirt­schaft gut lief, hat­ten die japa­ni­schen Män­ner genau eine Wahl ihr Leben zu gestal­ten: Sie tra­ten nach dem Uni-Abschluss in eine Fir­ma ein, hei­ra­te­ten, kauf­ten sich ein Auto und ersetz­ten es regel­mäs­sig durch ein Neu­es» sagt Fuka­sa­wa. «Heu­te kön­nen die Män­ner schlicht nicht mehr die­ses Kli­schee des ‹Glück­li­chen Lebens› führen».

Unsi­che­re Arbeits­si­tua­ti­on führt zu Zurück­hal­tung im Privaten

Der 22-jäh­ri­ge Uni-Abbre­cher Yoto Hosho, der sich und die meis­ten sei­ner Freun­de als Grass­fres­ser sieht, glaubt, dass der Begriff eine gan­ze Grup­pe von unter­schied­li­chen Män­nern meint, die nicht danach stre­ben, in ihren Bezie­hun­gen zu Frau­en, ihren Jobs oder sonst etwas tra­di­tio­nel­le Erwar­tun­gen der Gesell­schaft zu erfül­len. «Wir küm­mern uns über­haupt nicht dar­um, was die Leu­te davon hal­ten, wie wir leben».

Oft kön­nen sich die Gras­fres­ser auch gar nicht ande­res leis­ten, als sich mit ihrer Situa­ti­on zu arran­gie­ren. Sie gehö­ren zu einer Gene­ra­ti­on, die nie einen Wirt­schafts­boom erlebt hat und weil vie­le von ihnen nur Teil­zeit arbei­ten, sind Hoch­zeit oder Kin­der für sie kei­ne Opti­on. Dass die Gras­fres­ser sich den tra­di­tio­nel­len Lebens­läu­fen und gesell­schaft­li­chen Nor­men ver­wei­gern, hat also auch viel damit zu tun, dass sie sich die­sen Lebens­stil schlicht nicht mehr leis­ten können.

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