Japans Erbdemokratie
Japan wird dieses Wochenende aller Voraussicht nach eine politische Zeitenwende erleben. Umfragen sagen einen Erdrutschsieg der Demokratischen Partei Japans (DPJ) voraus. Bis zu 320 von 480 Sitzen könnte die jetzige Opposition auf einen Schlag für sich gewinnen (Asienspiegel berichtete).
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Obwohl DPJ-Spitzenkandidat Yukio Hatoyama von einem Wandel in der japanischen Politik spricht, und viele alte Gewohnheiten über Bord werfen möchte, wird das traditionelle System der familieninternen Weitergabe eines Abgeordnetensitzes wohl auch dieses politische Erdbeben überleben.
Im derzeitigen Wahlkampf sind 99 Kandidaten der Liberaldemokratischen Partei (LDP) mit einem ehemaligen Abgeordneten verwandt. Das sind rund 30 Prozent aller LDP-Kandidaten. Bei der DPJ sind es immerhin noch 22 Kandidaten, das macht noch 6,7 Prozent aller DPJ-Kandidaten aus.
Ein Familien-Geschäft
Die Unterstützung lokaler Wirtschaftsgruppen ist für die Abgeordneten des japanischen Unterhauses essentiell, um überhaupt einen Wahlkampf finanzieren zu können. Um das über Jahrzehnte aufgebaute, lukrative Netzwerk in einem Wahlkreis nicht zu verlieren, liegt es für viele Abgeordnete auf der Hand, die Politiker-Fackel an einen Sohn und manchmal an eine Tochter (Beispiel Makiko Tanaka, Asienspiegel berichtete) weiterzugeben. In Japan ist die Politik ein Familien-Geschäft.
Gerade die Tatsache, dass die letzten drei Premierminister Shinzo Abe, Yasuo Fukuda und Taro Aso Kinder oder Grosskinder von früheren Premierministern waren, hat das System der «Erbdemokratie» jedoch in Verruf gebracht.
Fehlende Vitalität
Viele Kritiker befürchten eine Erstarrung der Politik. Es fehle an neuen Namen und dementsprechend auch an Vitalität. Für viele Japaner hat sich diese Sichtweise gerade durch das schlechte Abschneiden der letzten drei Premiers, die sich jeweils kaum ein Jahr im Amt halten konnten, bestätigt.
Nun kämpft die oppositionelle DPJ gegen die Ausuferung dieses politischen Erbsystems, obwohl auch sie Abgeordnete in den eigenen Reihen hat, die den Wahlkreis von ihrem Vater oder Onkel «geerbt» haben.
Die DPJ hat für diese Wahlen eine interne Regelung aufgestellt, die verbietet, dass jemand mit Verwandtschaftsbeziehungen zu einem amtierenden Abgeordneten im gleichen Wahldistrikt kandidieren darf. Bei der LDP sind solche Vorstösse bisher auf taube Ohren gestossen.
Koizumis Erbe
Ausgerechnet der berühmteste Reformpolitiker der LDP und ehemalige Premierminister Junichiro Koizumi hat den Wahldistrikt 11 der Kanagawa-Präfektur an seinen Sohn Shinjiro übergeben. Sollte Shinjiro Koizumi den Wahlkampf gewinnen, käme bereits die vierte Koizumi-Generation ins japanischen Unterhaus. Nicht ohne Grund wird der Wahldistrikt 11 auch das «Königreich Koizumi» genannt.
Doch dieses Mal könnte es schwieriger werden als üblich. Das hat auch Shinjiro Koizumi erkannt: «Ich kandidiere wohl zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Weder mein Vater noch mein Bruder Kotaro (ein bekannter Schauspieler) können es sich leisten, mich vor Ort zu unterstützen.»
Der berühmte Name zählt
Dennoch hat Shinjiro Koizumi gute Chancen gewählt zu werden, denn die Erbdemokratie wird wohl auch diese politische Zeitenwende überleben. Der berühmte Familienname steht immer noch über allem.
Ein 72-jähriger Taxichauffeur, der ein Leben lang für die Koizumis gewählt hat, drückt es folgendermassen aus: «Ich halte nichts von der LDP. Und deren Unterstützung für Shinjiro bedeutet mir ebenso wenig. Ich würde Shinjiro auch wählen, wenn er in der DPJ wäre.»
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