Nervöse Bürokraten
Ein zentrales Wahlversprechen der Demokratische Partei (DPJ) war, den Einfluss der Bürokraten auf die politischen Massnahmen zu unterbinden. Die Politiker sollen in Zukunft das Sagen haben. Nachdem der designierte Premierminister Yukio Hatoyama die ersten Personalentscheidungen für die Ministerien getroffen hat, scheinen die Bürokraten der verschiedenen Ministerien langsam den Ernst der Lage erkannt zu haben.
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Mit Naoto Kan hat Hatoyama einen Mann ins Kabinett berufen, der bekannt dafür ist, mit den Bürokraten einen unzimperlichen Umgang zu pflegen. So hat Kan bereits 1996 als Gesundheitsminister für die Aufdeckung eines Skandals um HIV-infizierte Blutkonserven gesorgt, in die das Ministerium verwickelt gewesen war.
Rechenschaftspflicht
In den1980er Jahren wurden in Japan rund 1’800 Patienten mit unbehandelten HIV-kontaminierten Blutprodukten angesteckt, obwohl zu dem Zeitpunkt die HI-Viren bereits durch eine Erhitzungsmethode hätten beseitigt werden können.
Kan veröffentlichte die belastenden Dokumente, was ihm in der Bevölkerung viel Sympathie einbrachte. Politologen sprechen heute davon, dass Kan als erster das Bewusstsein einer Rechenschaftspflicht für Fehlentscheide in die allmächtige japanische Bürokratie eingepflanzt habe.
Lebensläufe werden gesammelt
Entsprechend scheinen die Bürokraten verunsichert über die derzeitige Situation. Jahrzehntelang hatte man sich an den Umgang mit den LDP-Politikern gewöhnt. Nun werden von den Administrationen Lebensläufe und mögliche Bemerkungen zu bestimmten politischen Massnahmen der künftigen Regierungspolitiker eingeholt.
Künftig wird von den hohen Bürokraten erwartet, dass sie die Regierungspolitiker regelmässig über wichtige Entscheidungen und Massnahmen zu informieren haben.
«Wir treffen Vorbereitungen, um die DPJ-Politiker über die aktuelle Sachlage unterrichten zu können», bestätigt ein Mitarbeiter des Ministeriums für Infrastruktur, Transport und Tourismus. Mit rund 60’000 Angestellten ist es das grösste Ministerium. Es ist bekannt dafür, bisher enge Beziehungen zu LDP-Politikern gepflegt zu haben.
Unsicheres Warten
«Ich hoffe, dass ich bald die wichtigen Personen der neuen Regierung kennenlernen darf», sagte Hiroaki Taniguchi gegenüber der Asahi Shimbun. Er ist der höchste Bürokrat im Ministerium für Infrastruktur. Bisher hat er den künftigen Premier, Yukio Hatoyama, noch nicht treffen können.
Das Ministerium für interne Angelegenheiten und Kommunikation hat ebenfalls Dokumente über DPJ-Politiker erstellen lassen. «Da die DPJ behauptet, dass die gewählten Politiker die Bürokraten führen sollen, bestehen gewisse Ängste darüber, wie das von statten gehen soll», sagt ein verunsicherter Bürokrat des entsprechenden Ministeriums, das für die Privatisierung der Post zuständig ist. Ein Angelegenheit, welche die DPJ noch einmal genau überprüfen möchte.
Einfach umgekehrt
Im Landwirtschaftsministerium stellt man sich ebenso auf die neuen Realitäten ein. Ein Angestellter sieht es dort ganz pragmatisch: «Früher haben die höheren Bürokraten die politischen Massnahmen den LDP-Politikern erklärt, während die tiefer gestellten Bürokraten sich um die DPJ gekümmert haben. In Zukunft wird es einfach umgekehrt sein.»
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