Japan trinkt und schweigt
Im Oktober verstarb Shoichi Nakagawa auf seinem Bett (Asienspiegel berichtete). Japanischen Medienberichten zufolge soll die gleichzeitige Einnahme von Alkohol und Schlaftabletten zum plötzlichen Tod des früheren Finanzministers geführt haben. Bereits im Februar dieses Jahres machte der 56-Jährige auf sich aufmerksam, als er an der G-7-Konferenz der Finanzminister in Italien, in angetrunkenem Zustand eine Pressekonferenz gegeben hatte. Das Schicksal Nakagawas hat dabei ein gesellschaftliches Problem offengelegt: Japan trinkt zuviel.
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In den letzten 50 Jahren ist mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Japans auch der Alkoholkonsum um das 6-fache gestiegen. Man rechnet mit rund 800’000 Menschen, das sind 0,6 Prozent der Population, die ein Alkoholproblem haben. Im Vergleich zu Europa oder den USA ist dies immer noch gering. Dennoch nimmt der Missbrauch speziell bei Frauen und älteren Menschen stark zu.
Bier und andere alkoholische Getränke sind mittlerweile in jedem 24-Stunden-Minimarkt oder sogar an Getränkeautomaten erhältlich. Das Feierabendbier mit den Mitarbeitern und Vorgesetzten gehört gar zum guten Ton. Im beschwipsten Zustand fällt den normalerweise etwas gehemmten Japanern die Konversation bedeutend leichter.
Es gibt keine Prävention
Für Katsuya Maruyama, Mitarbeiter in einer Klinik zur Behandlung von Alkoholabhängigen, sei Japan zu tolerant, wenn es um gesellschaftliche Besäufnisse gehe. So sei es schwer für eine Gesellschaft ein Alkoholproblem überhaupt zu erkennen. «Es gibt keine Prävention, die über die Gefahren des Alkohols unterrichtet. Daher sieht auch niemand Alkoholismus als eine Krankheit an», führt Maruyama aus. Der jährliche wirtschaftliche Schaden, der durch das Trinken entsteht, wird von der Medizinischen Universität Tokios auf rund 73 Milliarden US-Dollar geschätzt.
«Wir haben es hier mit einer Gesellschaft zu tun, die sich mit Alkoholvergehen sehr nachsichtig zeigt. Versagt man aber in unserer Gesellschaft, wird man ausgeschlossen», wirft Tomomi Imanari von einer Organisation für Alkoholprävention ein. Das Schicksal von Shoichi Nakagawa und anderen prominenten Trinkern hat nun etwas Bewegung in das tabuisierte Thema gebracht und den Leuten klar gemacht, dass es sich bei Süchtigen nicht um hoffnungslose Einzelfälle handelt. Doch für Katsuya Maruyama ist es noch ein weiter Weg. Noch fehle es Japan am richtigen Umgang mit dem Alkoholproblem.
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