Wohnsitz Kapselhotel
Für Atsushi Nakanishi ist eine Kapsel sein Zuhause. Ein kleiner Fernseher und ein Radio schmücken die langgezogene Unterkunft. Eine Tür zur Kapsel gibt es nicht. Lediglich einen einfachen Vorhang. Die Habseligkeiten kann er in einen Garderobenschrank einstellen. Es hat lediglich Platz für zwei Koffer. Nur noch ein Anzug ist Nakanishi geblieben. Man gewöhne sich daran, sagt er.
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«Unsere Klientel bestand früher ausschliesslich aus Salarymen, die nach einer abendlichen Trinktour den letzten Zug verpasst hatten», sagt Tetsuya Akasako, der Manager des Kapselhotels Shinjuku 510. Doch seit rund 2 Jahren haben wir bemerkt, dass gewisse Kunden hier Wochen, dann Monate geblieben sind.
Nun habe man sich angepasst. Bleibt man länger als einen Monat, erhält man einen reduzierten Preis. Rund 100 der 300 Kapseln im Hotel werden mittlerweile monatlich vermietet. Die Regierung hat dem Hotel nun eine spezielle Bewilligung erteilt, die es den Gästen ermöglicht die Kapsel als offiziellen Wohnsitz registrieren zu lassen. Ein Wohnsitz ist notwendig, um überhaupt eine Einladung zu einem Jobinterview zu erhalten.
Ursprünglich eine Schlafstätte für Salarymen
«Es ist ein Ort wo man lediglich reinkriecht und schläft», sagt Nakanishi im Gespräch mit der New York Times weiter. 2 Meter lang und 1,5 Meter breit ist die Kapsel des Hotel Shinjuku 510 in Tokio. Als das Billighotel vor 2 Jahrzehnten eröffnete, war es als Schlafstätte für die sogenannten Salarymen konzipiert worden, die den letzten Zug nach Hause verpasst hatten. Heute, in einer der schwierigsten wirtschaftlichen Zeiten Japans, ist die Kapsel für viele Leute zum festen Wohnsitz geworden.
Mit der globalen Finanzkrise sind die Exporte 2009 in den Keller gesunken. Die Arbeitslosenrate ist auf über 5 Prozent angestiegen. Eine für Japan verhältnismässig hohe Rate. Die Armutsrate liegt bei 15,7 Prozent. Viele der Entlassenen mussten aus den Wohnheimen der Arbeitgeber ausziehen. Die Kapsel ist für viele zur letzten Option geworden.
Keine billige Monatsmiete
Nakanishi sieht sich selbst als einer der Glücklichen. Der 40-jährige hat Wirtschaft an einer lokalen Universität studiert. Seit seiner Entlassung bei einem grösseren Unternehmen hält er sich mit kleineren Anstellungen in einem Pachinko-Glücksspielladen, als Wachmann und als Nachtangestellter in einem Lieferunternehmen über Wasser.
Mit diesem hart verdienten Geld kann er sich eine Unterkunft in einer Kapsel leisten. 59’000 Yen kostet ihn dies monatlich. Die Benutzung des grosszügigen Bades ist inklusive. Die Miete sei hoch, aber immer noch billiger als eine Tokioter Wohnung, betont Nakanishi.
Die Dunkelziffer ist hoch
Laut Regierungsangaben leben 15’800 Menschen in Japan auf der Strasse. Nichtregierungsorganisation schätzen die Zahl noch viel höher ein. Alleine in Tokio sind mindestens 10’000 Menschen obdachlos. Die «versteckten» Obdachlosen, wie die Menschen, die in Kapselhotels, Saunas oder Internetcafés übernachten, sind dabei nicht mit eingerechnet.
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