Die Ästhetik des Voluminösen
Seit kurzem mögen es die Japanerinnen voluminös. Gemeint sind die Haare, die die jungen Frauen sich in letzter Zeit grosszügig anhäufen. Mit Haarglättern, Lockenwicklern und Styling-Gel zaubern sie sich voluminöse Haarprachten herbei. Dabei gilt: Je üppiger desto schöner.
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Was daran ästhetisch sein soll? Mit einem solchen Haarvolumen wirken Gesicht und Schulter vergleichsweise klein. Der Abstand zwischen Augen und Kopfspitze wird künstlich in die Länge gezogen und die Gesichtspartie wie bei einem Baby ins Zentrum gerückt. Das wirkt jung und ist süss und süss ist in Japan attraktiv (Asienspiegel berichtete).
Die Heldinnen des Rotlichts
Im Zentrum dieses Haarbooms steht die Zeitschrift Koakuma Ageha, die ursprünglich für die Frauen der unzähligen Cabaret-Clubs in den Rotlichtquartieren Japans geschaffen wurde. Darin präsentieren sie sich als Models mit eben solch aufgeblähten Haartürmen. Um sich die Aufmerksamkeit ihrer Kunden zu sichern, sind die voluminösen Haarprachten für die Cabaret-Mädchen ein Ding der Notwendigkeit.
Schon nach der ersten Ausgabe wurde Koakuma Ageha zu einem Trendblatt unter den weiblichen Teenagern. Für sie sind die Cabaret-Mädchen Vorbilder, die mutig in der Dunkelheit der Nacht ihrer Arbeit nachgehen, aus eigener Kraft ihren Lebenserwerb bestreiten und dabei noch ihren ganz eigenen Modestil durchsetzen. Die Betonung auf die eigene Person und der Hang zum Übertriebenen verleihen den Cabaret-Mädchen in den Augen viele Teenager die Aura des Unwiderstehlichen.
Marie Antoinette und die Kurtisanen
Historisch gesehen hat die voluminöse Frisur bereits die europäische Aristokratie des 18. Jahrhunderts beflügelt. Zu Zeiten Marie Antoinettes galten massige Perücken als ein Zeichen der Macht. Im Japan der Edo-Zeit (1603 bis 1868) beflügelten die Kurtisanen mit ihrem hoch zusammengebunden Haaren die Fantasien der Männer und Holzschnitt-Künstler.
Der Haarboom hat nebenbei eine finanzielle Ursache. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in den Japanerinnen ihre Einkäufe drosseln müssen, bleibt das Haar die letzte Modebastion, in der sich die Frau sofort, selbständig und entsprechend kostengünstig neu erfinden darf. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Was das Haar mit Gott zu tun hat
Was sich in Japan bereits etabliert hat, scheint nun auch ins wirtschaftlich kriselnde Amerika überzuschwappen. Schauspielerin Nicole Polizzi aus der MTV-Serie «Jersey Shore» hat die massige Haarpracht von New Jersey aus wieder en vogue gemacht.
Wie die New York Times im Artikel «Big Hair Returns» («Die grosse Haarpracht ist zurück») berichtet, trägt selbst US-Aussenministerin Hillary Clinton das Haar voluminös und hoch. Für Modeexpertin Stephanie Kocielski hat der neue Trend eine klare Aussage: «Je voluminöser das Haar, desto näher bei Gott.» mh.
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