Wenn Sozialhilfe eine Schande ist
Laut einer Statistik des Arbeitsministeriums führen Arbeitslosigkeit und Existenznöte häufiger zu Selbstmord. Demnach hat die Zahl der Selbstmorde unter den Fürsorgeempfängern in den vergangenen drei Jahren zugenommen.
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Im vergangenen Jahr kam es in diesem Zusammenhang zu 1’045 Fällen. 2008 lag die Zahl noch bei 843. Wie das Arbeitsministerium vermutet, hat die Wirtschaftskrise zu diesem tragischen Anstieg beigetragen.
Der Verlust der Arbeitsstelle führt zu nicht selten zu einer tragischen Kettenreaktion. Nach der finanziellen Not kommt die Isolierung vom sozialen Umfeld. Das Beziehen von Fürsorgegeld wird für viele als Schande betrachtet.
Selbstverachtung und Selbsmordgedanken
So erging es auch einem 64-jährigen Mann aus der Präfektur Saitama. Nach der Trennung von seiner Frau, verlor er seine Anstellung bei einem Haushaltswarenhersteller und zwei Jahr später auch seine Beschäftigung als Temporärarbeiter, worauf er auf der Strasse stand.
Dank der Sozialhilfe hat er wieder einen festen Wohnsitz. Trotzdem empfinde er noch heute Selbstverachtung und der Gedanke ans Selbstmord komme in ihm immer wieder auf. «Ich fühle, wie die Umgebung mich verachtet. Manchmal frage ich mich, weshalb ich noch leben soll», beschreibt er seine Situation der Yomiuri Shimbun.
Alleinstehende Soziahlhilfeempfänger
Gemäss Fujita Takanori von der Nonprofit-Organisation Hot Pot bestehe zwar kein Grund sich für das Empfangen der Sozialhilfe zu schämen, dennoch machen sich viele Empfänger Vorwürfe und bekunden Schwierigkeiten ihre Lage dem Umfeld zu kommunizieren. Dies erkläre auch die zunehmende Zahl der alleinstehenden Sozialhilfeempfänger.
Um künftig solchen Entwicklungen vorzubeugen, will das Arbeitsministerium bei Sozialhilfeempfängern den Fokus auf die psychologische Betreuung setzen. Ausserdem hat die japanische Regierung im vergangenen November einen «100-Tage-Massnahmeplan gegen Selbstmord» ausarbeiten lassen.
Massnahmen greifen zu wenig
In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise in den Arbeitsämtern ein Beratungsschalters zur Bekämpfung der ansteigenden Selbstmordrate ins Leben gerufen. Als Folge dessen sei die Suizidrate im Zeitraum zwischen September 2009 und April 2010 im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, sagt die Regierung.
Yasuki Shimizu von der Nonprofit-Organisatioon Life Link relativiert jedoch: «Diese Entwicklung ist wohl eher der zunehmenden gesellschaftlichen Sensibilisierung zum Thema Selbstmord zu verdanken. Die direkten Massnahmen der Regierung haben damit wenig zu tun.»
Die kritische 30’000er-Marke
Bis es zu einem durchschlagenden Erfolg in der Bekämpfung der Selbstmordrate kommt, wird es voraussichtlich noch Jahre dauern. Denn auch dieses Jahr hat die Selbstmordrate die kritische Marke von 30’000 Fällen überschritten. sb.
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