Grabschen ohne rechtliche Folgen
Rund 9 von 10 Frauen, die in japanischen Zügen Opfer von sexueller Belästigung werden, erstatten keine Anzeige. Dies ergab eine Online-Umfrage unter 3256 Pendlern, die die Nationale Polizeibehörde in den Grossstädten Tokio, Osaka und Nagoya durchgeführt hat.
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Rund 30 Prozent der Betroffenen, die nach der Belästigung nichts den Behörden meldeten – in der aktuellen Umfrage 271 Personen – erklärten, dass eine Anzeige bei der Polizei «zu mühselig» sei. Für weitere 26 Prozent sei der Schritt zur Polizei schlichtweg «zu zeitaufwändig».
Ausserdem flüchtete ein Grossteil der Betroffenen vom Tatort ohne irgendein Wort darüber zu verlieren, weil sie «vor Angst nichts sagen konnten» oder sich «vor den Konsequenzen fürchteten». Laut aktueller Strafverordnung droht den Grabschern in Japan eine Geldstrafe von 500’000 Yen (5’500 Dollar) oder bis zu 10 Jahren Gefängnis.
Kameras zur Sicherheit
Rund 80 Prozent aller Befragten befürworten mehr Polizeipatrouille in den Zügen und Bahnhöfen, um eine Anzeigeerstattung zu erleichtern. Zudem halten sie Sicherheitskameras für ein adäquates Mittel gegen Grabscher.
In einem Pilotprojekt hat die East Japan Railway, die einen Grossteil ihrer Bahn im Raum Tokio unterhält, bereits Kameras an Wagendecken montiert. Andere Zugunternehmen wollen folgen (Asienspiegel berichtete).
Die Angst der Männer
Nicht nur die Frauen, sondern auch viel Männer fürchten sich auf eine andere Art vor dem Problem. So gaben 60 Prozent der männlichen Befragten an, Angst zu haben eines Tages fälschlicherweise als Grabscher verwechselt zu werden.
Für die Justiz hat sich das «Chikan»-Phänomen als ein rechtliches Minenfeld entpuppt. Die Beweislage ist jeweils äusserst dünn. So hatte ein lokales Gericht einen 63-jährigen Professor wegen Begrabschens einer jungen Frau während den Pendelzeiten, zu 22 Monaten Haft verurteilt. Das Oberste Gericht musste den Professor aber wieder freisprechen, da sich die Vorinstanz nur auf die Zeugenaussage des angeblichen Opfers berufen konnte.
Unschuldige Opfer
Der Film «I Just didn’t do it» (jap. «Sore demo boku wa yattenai») aus dem Jahr 2007 hat sich der rechtlichen Problematik des «Chikan»-Phänomens angenommen. Regisseur Masayuki Suo («Shall we dance») drehte dabei den Spiess um und porträtierte einen zu Unrecht wegen Grabschens beschuldigten Mann. Auch solche Fälle häufen sich in der Realität.
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