Die Aum-Sekte lässt Japan nicht los

Der japanische Staat hat offiziell 6583 Personen als Opfer von 8 Verbrechen der Aum-Sekte anerkannt, wie NHK News berichtet. Der vom halbblinden und bärtigen Shoko Asahara gegründete Untergangskult verübte bis Mitte der 1990er-Jahre rund ein Dutzend Anschläge. Der schwerste fand am 20. März 1995 statt, als Mitglieder der Aum-Sekte in der Tokioter U-Bahn das Nervengas Sarin freisetzten. Alleine durch diesen Terrorakt kamen 13 Menschen ums Leben und über 5000 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Es war der schwerste Terroranschlag in der Nachkriegsgeschichte Japans.
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In einem langen Prozess kämpften die Opfer und Hinterbliebenen der zahlreichen Aum-Verbrechen um Unterstützungsgelder durch den Staat, der anstelle der bankrotten Sekte für die finanzielle Entschädigung sorgen sollte. Im Dezember 2008 trat schliesslich ein entsprechendes Gesetz in Kraft. Bis zum 17. Dezember 2010 waren die Opfer verpflichtet, ihre Ansprüche zu stellen.
Laut der japanischen Polizeibehörde haben 6084 berechtigte Opfer ein Gesuch um Staatshilfe gestellt. 424 haben keine Anzeige erstattet, mit der Begründung, dass sie nicht mehr an die schrecklichen Taten erinnert werden wollen, so die Yomiuri Shimbun. 75 weitere Personen konnten von den Behörden nicht mehr kontaktiert werden, weil sie den Wohnort gewechselt haben.
Grossteil bereits ausbezahlt
Über 3 Milliarden Yen (27 Mio. Euro) wird der Staat an Unterstützungsgeldern den Opfern zur Verfügung stellen. Die Hinterbliebenen von den 25 Verstorbenen der Aum-Verbrechen wurden bereits mit 20 Millionen Yen (182’000 Euro) entschädigt. Insgesamt wurden bereits 2,8 Milliarden Yen an Unterstützungsgeldern verteilt. Bis im März 2011 steht noch die Auszahlung an 220 Antragssteller aus.
Für die 64-jährige Shizue Takahashi, deren Ehemann beim Anschlag umkam, ist dies aber noch nicht das Ende der Entschädigungsforderungen. In einer Gedenkfeier im März diesen Jahres forderte sie auch von Sektenmitglieder eine Kompensation für die Verletzten und Hinterbliebenen: «Nur weil die Regierung den Opfern geholfen hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass die Sektenmitglieder von ihrer Verantwortung freigesprochen sind.» Die 63-Jährige war eine Vorkämpferin beim Streit um Entschädigungszahlungen durch die Regierung.
Zum Tod verurteilt
Im September 2010 wurde Shoko Asahara, der mit bürgerlichem Namen Chizuo Matsumoto heisst, am 13. September in letzter Instanz vom Obersten Gerichtshof Japans erneut zum Tode verurteilt. Eine seiner Töchter hatte vergeblich einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingereicht, nachdem sie bereits im März vor dem Tokioter Gericht gescheitert war. Noch sind weitere Berufungsverfahren gegen zum Tod verurteilte Aum-Mitglieder hängig.
Aufgrund der verfassungsmässig garantierten Religionsfreiheit konnte die Sekte nicht verboten werden. Die Gruppe änderte ihren Namen jedoch auf Aleph. Sie steht heute unter scharfer Beobachtung der Behörden. Laut Polizeiangaben ist die Sekte auf 1650 Mitglieder geschrumpft, rund 200 davon Leben heute in Russland. Vor dem Anschlag 1995 zählte die Aum-Sekte in Japan 10’000 Mitglieder und rund 30’000 weitere in Russland.
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