Ein Land von Waffenlosen
Die Tokioter Waffenläden sind in Aufruhr. Seit 2009 das Gesetz zur Waffen- und Schwertkontrolle noch einmal verschärft wurde, sind die Umsätze regelrecht eingebrochen. Bis zu 50 Prozent weniger Sportwaffen seien in diesem Jahr verkauft worden, beklagen sich die Ladenbesitzer gegenüber der Mainichi Shimbun. Aus Protest haben sie für 2 Tage ihre Läden geschlossen. Es handelt sich um die erste Streikaktion in dieser Branche in Japan.
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Die Waffengesetzrevision war die Folge eines Amoklaufes in einem Fitnessklub in Sasebo in der Präfektur Nagasaki am 14. Dezember 2007. Ein Mann erschoss dabei mit einem Jagdgewehr 2 Personen und verletzte 6 weitere. Der Schütze verübte am Tag darauf Selbstmord.
Strenges Waffengesetz
Die neuen Regelungen übertreffen von der Strenge her alle Waffengesetze in der westlichen Welt. Will man in Japan eine Sportwaffe kaufen, ist eine psychologisch Untersuchung durch einen qualifizierten Arzt notwendig. Zudem benötigt der Bewerber eines Waffenscheins die Einwilligung der Polizei, die das Strafregister des Betroffenen untersucht. Die Lizenz muss darüber hinaus alle 3 Jahre erneuert werden, indem man sich einem Trainingskurs unterzieht.
Der Besitzer ist ausserdem gezwungen seine Waffe in einem sicheren Tresor zu verschliessen, getrennt von der Munition. Der genaue Ort der Aufbewahrung muss der Polizei anhand einer Wohnungskarte mitgeteilt werden. Jeglicher Kauf von Munition muss der Waffenhändler bei der Polizei registrieren lassen. Der Besitz einer Pistole oder eines Gewehrs ist seit 1971 komplett untersagt.
Polizei verteidigt Regelung
«Nach der Gesetzesrevision haben wohl viele von Anfang an aufgegeben, überhaupt in den Besitz einer Waffe zu kommen», sagt die Vereinigung der Waffenläden in Tokio. Auch den Jagdorganisationen bereitet die Verschärfung Sorgen. Künftig werde man weniger Leute in ländlichen Gegenden haben, die gefährliche Wildtiere wie Bären von Dörfern fernhalten können.
Die Tokioter Polizei hat kein Verständnis für die Sorgen der Waffenläden. Schon vor der Revision sei die Zahl der Schusswaffenbesitzer im Sinken begriffen gewesen. 2009 gab es laut der Mainichi Shimbun 140’000 registrierte Besitzer einer Waffe in Japan. Das entspricht nicht einmal einem Viertel der Rekordzahl von 652’000 aus dem Jahr 1981.
An dieser Entwicklung werde sich auch nicht so schnell etwas ändern, meint Professor Masahide Maeda von der Tokyo Metropolitan University: «Den Waffenhandel der Sicherheit der Bürger vorzuziehen, wäre sehr schwierig zu rechtfertigen. Es ist gut, dass diese Branche schrumpft.» Tatsächlich ist in Japan die Zahl der Verbrechen mit Schusswaffen im Vergleich mit anderen industrialisierten Ländern ausserordentlich gering. Selbst Amoktaten, die in Japan nicht selten vorkommen, werden zumeist mit Messern oder anderen Waffen verübt.
Rigide Kontrolle des Staates
Die Abneigung gegenüber dem Besitz von Schusswaffen drückte sich erstmals Ende des 16. Jahrhunderts aus, als Toyotomi Hideyoshi – ein Feldherr, der zur Vereinigung des von Bürgerkrieg auseinander gerissenen Japans sorgte – im Jahre 1588 ein erstes Waffenverbot erliess. Einzig die Kriegerklasse der Samurai durfte noch Schwerter besitzen. Zuvor gab es noch eine kurze Blüte in der Entwicklung von Feuerwaffen, welche die Portugiesen Mitte des 16. Jahrhunderts nach Japan gebracht hatten.
Während der Edo-Zeit (1603−1868), als sich Japan von der Welt abschottete, unterlag die Waffenproduktion einem Staatsmonopol. Rund 15 Familien hielten das Handwerk in Japan während dieser Zeit am Leben. Die Kontrolle des Waffenhandels blieb selbst in der Zeit der Modernisierung und Militarisierung in den Händen des Staates. Selbst die Polizei im heutigen Japan scheut den Gebrauch von Schusswaffen. Der Polizeistock bleibt das bevorzugte Arbeitsgerät.
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