Die Pri­vat­sphä­re verzwitschern

Allzeit bereit: Die Einführung von Twitter fürs Handy im Jahr 2009.
All­zeit bereit: Die Ein­füh­rung von Twit­ter fürs Han­dy im Jahr 2009. flickr/​kirainet

«Neu­lich kam der berühm­te Fuss­bal­ler X zusam­men mit dem Model Y in unser Restau­rant», lau­te­te eine Twit­ter-Nach­richt einer japa­ni­schen Ange­stell­ten des Tokio­ter Westin-Hotel am 12. Janu­ar 2011. Die Kurz­mel­dung wur­de von ihren Freun­den im sozia­len Netz­werk in Win­des­ei­le auf­ge­nom­men und weiterverbreitet.

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Am nächs­ten Tag ent­schul­dig­te sich der Westin-Geschäfts­füh­rer Andre­as Trautt­manns­dorff auf der Hotel-Web­site für die Indis­kre­ti­on, wie die Mai­ni­chi Shim­bun berich­tet. Man habe die ver­ant­wort­li­che Teil­zeit-Ange­stell­te, eine Stu­den­tin, mit sofor­ti­ger Wir­kung ent­las­sen. Aus­ser­dem hät­ten sie alle Ange­stell­ten noch ein­mal auf das Ver­trau­lich­keits­ge­lüb­de auf­merk­sam gemacht. Eine Ver­pflich­tung, die jeder unter­schrei­ben müsse.

Nur 5 Stun­den nach Ver­sen­den der Kurz­nach­richt konn­te die zwit­schern­de Dame über­führt wer­den. Obwohl sie sich unter einem Pseud­onym bei Twit­ter ange­mel­det hat­te, reich­ten die Anga­be des Stu­di­en­or­tes und ein Link zu ihrem Mixi-Kon­to – das japa­ni­sche Pen­dant zu Face­book – aus, um ihre Iden­ti­tät aus­fin­dig zu machen.

Welt­meis­ter im Twittern

Die Fäl­le von Twit­ter-Papa­raz­zi häu­fen sich beson­ders in Japan. Kein ande­res Land twit­tert häu­fi­ger. So stell­ten die japa­ni­schen Fans an der Fuss­ball-WM in Süd­afri­ka einen neu­en Rekord von 3283 Twit­ter-Nach­rich­ten pro Sekun­de auf (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Das Kurz­blog­ging-Por­tal ist für eine Pen­del-Gesell­schaft, die mehr mit dem Han­dy als mit dem Com­pu­ter online ist, ideal.

Die Anony­mi­tät und die Kür­ze der Tweets erlau­ben zudem eine unge­wohn­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­frei­heit, die sich selbst Poli­ti­ker bis hin zu Japans Pre­mier­mi­nis­ter zu Nut­ze machen. Mit der sofor­ti­gen Ver­brei­tung einer Nach­richt stellt sich aber auch die Fra­ge, inwie­fern die Pri­vat­sphä­re von öffent­li­chen Per­so­nen noch geschützt wer­den kann. Gera­de der Hotel- und Restau­rant­bran­che berei­tet die­ser Umstand Sorgen.

Kein Ein­zel­fall

Der Twit­ter-Zwi­schen­fall im Hotel war denn auch nicht der ers­te die­ser Art. Bereits im Dezem­ber letz­ten Jah­res nör­gel­te ein Restau­rant-Ange­stell­ter über den pro­mi­nen­ten Gast Kazu­yo Kats­u­ma. Die Wirt­schafts­ana­lys­tin sei sei­ne meist gehass­te Pro­mi­nen­te, zwit­scher­te er. Die Geschäfts­lei­tung des Restau­rants reagier­te mit einem Twit­ter-Ver­bot für alle 500 Ange­stell­ten wäh­rend der Arbeit.

Den Hote­liers ste­hen die Sor­gen­fal­ten ins Gesicht geschrie­ben: «Lei­der kön­nen wir unse­ren Hotel­gäs­ten nicht zu 100 Pro­zent garan­tie­ren, dass hier kein Twit­ter-Ver­kehr herrscht», äus­sert sich ein Geschäfts­lei­ter eines Hotels in Tokio im Gespräch mit der Yomi­uri Shim­bun. Die 237 Mit­glie­der der japa­ni­schen Hotel­ver­ei­ni­gung wol­len nun gemein­sa­me Gegen­mass­nah­men erarbeiten.

Die guten Manieren

Grund­sätz­lich ist es den Ange­stell­ten der Ser­vice­bran­che nicht ver­bo­ten, im pri­va­ten Umkreis über die Anwe­sen­heit berühm­ter Gäs­te zu spre­chen. Bei Twit­ter stellt sich jedoch das Pro­blem, dass sich eine für Freun­de geschrie­be­ne Mel­dung schnell zu einer unkon­trol­lier­ba­ren Nach­richt für die neu­gie­ri­ge Öffent­lich­keit entwickelt.

«Die Unter­schei­dung zwi­schen pri­vat und öffent­lich ist bei Twit­ter nicht mehr so klar wie bei Blogs», erklärt Inter­net-Exper­te Toru Take­da von der Uni­ver­si­tät Kei­sen gegen­über der Yomi­uri Shim­bun. Der Pro­fes­sor warnt davor, dass sich zwit­schern­de Ange­stell­te gege­be­nen­falls straf­bar machen könn­ten. Gleich­zei­tig ortet Twit­ter-Opfer Kazu­yo Kats­u­ma nicht beim Mikro­blog selbst das Übel. Es hand­le sich hier um ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem. Daher appel­liert Kats­u­ma an den gesun­den Men­schen­ver­stand. Dass man jeman­dem online in den Rücken fällt, dür­fe nicht zur Nor­ma­li­tät werden.

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