Das Fest der Nackten

Jedes Jahr werfen sich beim Saidai-Tempel in der Stadt Okayama im Westen Japans 9000 spärlich bekleidete Männer ins Getümmel. Einzig ein weisser Lendenschurz im Sumoringer-Stil sorgt dafür, dass sie nicht ganz entblösst sind. Im Volksmund nenn man es «das Fest der Nackten», der offizielle Name für die Festlichkeit in Okayama ist Saidaiji Eyo.
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Feste dieser Art gibt es im ganzen Land, doch keines zieht mehr Menschen an als das von Okayama. Wie die Legende besagt, reichen seine Ursprünge bis in die Muromachi-Zeit (1388−1573) zurück. Bereits zum 502. Mal rennen die Nackten in diesem Jahr um den Tempel herum. Das Fest markierte ursprünglich den letzten Tag der traditionellen Neujahrsrituale gemäss dem Mondkalender. Heute findet «das Fest der Nackten» jeweils am 3. Samstag im Februar statt, um der Touristennachfrage gerecht zu werden.
Der heilige Holzstab
Während der Muromachi-Zeit erhielten die Menschen von den buddhistischen Piestern einen Talisman aus Papier. Daraus entwickelte sich ein populärer Glücksbringer. Das leicht zerreissbare Papier tauschten die Priester schliesslich mit zwei 20 Zentimeter langen Holzstäben (jp. Shingi) aus, die heute das Ziel der Begierde von rund 9000 Männern sind.
Mit Anbeginn der Nacht versammeln sich die nackten Männer bei Temperaturen von 9 Grad Celsius beim Tempel, wo sie zuerst ihren Körper mit Wasser reinigen müssen. Dazu rennen sie durch ein eiskaltes Wasserbad. «Wasshoi, wasshoi» rufen sich die Teilnehmer dabei laut zu. Mit einem Lauf um den Saidai-Tempel herum ehren sie zwei anwesende Götterstatuen, bevor sie sich erneut mit Wasser überschütten. Das Ritual wird mehrere Male wiederholt.
Verletzungen nicht ausgeschlossen
Pünktlich um 22 Uhr geht das Licht aus, worauf ein Priester die beiden gesegneten Holzstäbe in die Menge wirft. Der Eroberungskampf beginnt. Das unübersichtliche Gedränge bildet den Höhepunkt des Festivals. Schulter an Schulter versuchen viele Männer in Kleinstgruppen den Stab für sich zu gewinnen. Verletzungen sind dabei die Regel.
Für die beiden Männer, welche die Stöcke erfolgreich in den Händen halten, hat sich der Aufwand gelohnt. Ihnen ist ein glückliches Jahr garantiert. Die anderen träumen schon vom nächsten «Fest der Nackten».
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