Haftstrafe für einen Schummler?
Ein 19-jähriger Schüler versuchte das japanische Prüfungssystem zu überlisten. Per Handy übermittelte er während der Dauer des Eintrittsexamens für die Universität Kyoto dem Internetdienst Yahoo Chiebukuro, bei dem die Internetgemeinde die passenden Antwort zu liefern versucht (Asienspiegel berichtete).
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Wenige Tage später konnte in Zusammenarbeit mit den Telekomgesellschaften der 19-Jährige gefasst werden. Ganz Japan rätselte wie der Jugendliche trotz Prüfungsbeaufsichtigung sein Handy benutzen konnte. In Untersuchungshaft hat er sein Vorgehen nun detailliert beschrieben.
Mit der linken Hand abgetippt
Wie die Yomiuri Shimbun herausfand, versteckte der 19-Jährige sein Handy unter dem Tisch und bediente es mit seiner linken Hand. Eine Scanfunktion, wie anfänglich vermutet, hatte sein Smartphone nicht. Im Gegenteil, der Schüler tippte alle Fragen einzeln ins Handy ein. Dabei legte er eine aussergewöhnliche Fingerfertigkeit an den Tag. Innert 30 Minuten konnte gleich 6 Fragen fehlerlos an Yahoo Chiebukuro übermitteln.
Die Praxis dafür hatte er bei den Eintrittsprüfungen für drei weitere Hochschulen geholt: «Bei den Examen für die privaten Universitäten ging es darum zu testen, ob niemand etwas bemerkt», wird der 19-Jährige von FNN News zitiert. Er wollte auf alle Fälle von der staatlichen Universität Kyoto aufgenommen werden, da dort die Semestergebühren billiger seien und er damit seine Mutter finanziell hätt entlasten können.
Inspektoren in der Kritik
Obwohl an der Universität Kyoto insgesamt 400 Prüfungsinspektoren die 8000 Schüler im Auge behielten, fiel der Betrug des 19-Jährigen nicht auf. «Die Inspektoren sind kein einziges Mal an meinem Tisch vorbeigegangen», gab er laut der Sankei Shimbun der Polizei zu Protokoll. Die Inspektoren konnten ihn jedoch gar nicht kontrollieren, weil gleich neben einer Wand am Rande der Tischreihe gesessen hatte, nimmt die Asahi Shimbun die Verantwortlichen in Schutz.
Weil den Inspektoren dennoch vorgeworfen wird, zu nachsichtig bei der Kontrolle zu sein, haben einige Universitäten bereits ihre Prüfungsvorschriften verschärft. So mussten gemäss der Chugoku Shimbun bereits an einem Eintrittsexamen für eine Universität in Hiroshima die Handys für die Zeit der Prüfung abgeben werden.
Eine Haftstrafe für den 19-Jährigen?
Der 19-Jährige beschäftigt inzwischen auch die Rechtsexperten. Denn zum ersten Mal wurde in Japan ein Schüler wegen Schummelns während einer Schulprüfung verhaftet. Wegen Behinderung eines Geschäftsganges drohen ihm gemäss Jugendstrafrecht bis zu 3 Jahre Haft.
Nicht allen ist es dabei ganz wohl, einen Schummler als Schwerverbrecher hinzustellen. «Ich wundere mich schon, weshalb die Universität Kyoto die Untersuchung gleich der Polizei überlässt, ohne selbst vorher interne Ermittlungen zu führen», beklagt sich ein höherer Polizeioffizier von Kyoto gegenüber der Mainichi Shimbun. Die Universität drücke sich damit vor der Verantwortung. Laut der Yomiuri Shimbun wollen die Behörden den Fall denn auch zügig behandeln haben.
Wohl keine Anklage
Andere halten die Verhaftung für richtig. Da gehe es nicht um einfaches Abschauen, sondern um Cyberkriminalität, meint Professor Hisashi Sonoda von der juristischen Fakultät der Universität Konan. Weitere Experten verteidigen die Verhaftung damit, dass man den Schüler vor einem Selbstmord schützen wollte, nachdem die Presse das Thema derart stark in Beschlag genommen hatte.
Anwalt und Internetexperte Hisamichi Okamura glaubt hingegen, dass dem 19-Jährigen keine strafrechtliche Verfolgung bevorsteht, falls er sich bei den Ermittlungen kooperativ zeige und seine Fehler auch eingestehe. Indem seine Prüfungen annulliert wurden, sei er bereits genügend bestraft worden, meint Okamura in der Mainichi Shimbun weiter. Denn die Eintrittsprüfung für die renommierte Waseda-Universität hatte der 19-Jährige bereits bestanden.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken