Mura­ka­mis mah­nen­de Worte

Nein zur Atomkraft: Murakamis eindringlichen Worte zur Katastrophe.
Nein zur Atom­kraft: Mura­ka­mis ein­dring­li­chen Wor­te zur Kata­stro­phe. Aus­zug: ANN News

Lan­ge schwieg er. Dabei hat sich Japans berühm­tes­ter Schrift­stel­ler Haru­ki Mura­ka­mi seit jeher kri­tisch mit dem Wan­del und dem Still­stand der Gesell­schaft sei­nes Lan­des beschäf­tigt. Zum Saringas-Angriff auf die Tokio­ter U-Bahn (Asi­en­spie­gel berich­te­te) und dem gros­sen Erd­be­ben von Kobe (Asi­en­spie­gel berich­te­te) 1995 ver­fass­te er gar zwei Wer­ke, die die­se his­to­ri­schen Ein­schnit­te im japa­ni­schen Bewusst­sein ein­drück­lich dokumentierten.

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Ent­spre­chend neu­gie­rig war­te­te die Welt nach dem Tsu­na­mi vom 11. März und der dar­auf fol­gen­den ato­ma­ren Kata­stro­phe von Fuku­shi­ma auf einen Kom­men­tar Mura­ka­mis. Doch der 62-Jäh­ri­ge schwieg. Pres­se­an­fra­gen wur­den erst gar nicht beant­wor­tet. Fast 3 Mona­te herrsch­te Funk­stil­le – bis letz­te Woche, als er in Bar­ce­lo­na den Inter­na­tio­nal Cata­lun­ya Pri­ze ent­ge­gen­neh­men durf­te. Haru­ki Mura­ka­mi wähl­te die­sen Anlass, um mit Japans fahr­läs­si­gem Umgang mit der Nukle­ar­tech­no­lo­gie abzurechnen.

Die Geschich­te wie­der­holt sich

Es sei schreck­lich, was Japan am 11. März wider­fah­ren sei. Rund 24’000 Men­schen sei­en Opfer der Flu­ten gewor­den. Vie­le von ihnen, im kal­ten Meer ertrun­ken, habe man bis heu­te nicht auf­fin­den kön­nen. Die Men­schen in der Kri­sen­re­gi­on hät­ten alles ver­lo­ren. Selbst der Wunsch zu leben, sei vie­len ent­ris­sen worden.

Japan sei ein Land, das zwar stets mit der Gefahr von Natur­ka­ta­stro­phen wie Erd­be­ben, Tsu­na­mi und Tai­funs leben müs­se. Doch die Gescheh­nis­se um das hava­rier­te Atom­kraft­werk Fuku­shi­ma hät­ten nie pas­sie­ren dür­fen. «In unse­rer Geschich­te sind wir nun zum zwei­ten Mal ato­ma­re Opfer gewor­den, mit dem Unter­schied, dass die­ses Mal nie­mand eine Atom­bom­be über uns abge­wor­fen hat», sag­te Mura­ka­mi kri­tisch. «Wir selbst haben die Vor­be­rei­tun­gen zur Kata­stro­phe getrof­fen, und wir selbst haben sie mit unse­ren eige­nen Hän­den ver­ur­sacht. Wir haben unser eige­nem Land Scha­den zuge­fügt, wir zer­stö­ren unser eige­nes Leben.»

Die unrea­lis­ti­schen Träumer

Japan habe sich nach dem Zwei­ten Welt­krieg von einem Land, das Nukle­ar­tech­no­lo­gie ableh­nend gegen­über­stand, zu einer Nati­on von Atom­be­für­wor­tern ver­wan­delt. Und das alles im Namen der Effi­zi­enz. Die Pro­pa­gan­da der Regie­rung und der Atom­lob­by habe in den Japa­nern die Illu­si­on ent­wi­ckelt, dass es sich hier um eine siche­re Tech­no­lo­gie hand­le, die Pro­fit und Bequem­lich­keit garan­tie­re. Plötz­lich sei Japan vor voll­ende­ten Tat­sa­chen gestan­den. Die Atom­kraft zu einer Unum­gäng­lich­keit erklärt wor­den. «Die Men­schen, wel­che die Atom­kraft­wer­ke in Fra­ge stell­ten, wur­den mit dem Eti­kett des ‹unrea­lis­ti­schen Träu­mers› versehen.»

Mura­ka­mi wur­de noch deut­li­cher: «Die schein­bar effi­zi­en­ten Kern­re­ak­to­ren haben uns in einen grau­sa­men Zustand hin­ein­ge­stürzt, so als hät­ten wir den Deckel zur Höl­le geöff­net. Das ist die Rea­li­tät.» Die Japa­ner wür­den die Strom­pro­du­zen­ten und die Regie­rung kri­ti­sie­ren, doch müs­se man auch sich selbst tadeln. «Wir sind Opfer, wir sind zugleich aber auch Täter», bemerk­te der 62-Jäh­ri­ge selbst­kri­tisch. Gera­de die­se Ein­sicht sei not­wen­dig, um den glei­chen Vor­fall nicht wie­der­ho­len zu las­sen. Nach Hiro­shi­ma hät­ten sie den Opfern ver­spro­chen, dass so etwas nie wie­der gesche­hen wür­de. «Wir haben uns die­se Wor­te nicht genug zu Her­zen genommen.»

Die Absa­ge an die Atomkraft

Daher gibt es für Mura­ka­mi nur eine Schluss­fol­ge­rung: «Wir Japa­ner hät­ten immer ent­schlos­sen Nein zur Atom­kraft sagen müs­sen. Das ist mei­ne per­sön­li­che Mei­nung.» Als Opfer von Atom­bom­ben hät­te sich Japan stets gegen die­se Tech­no­lo­gie sträu­ben und einen nukle­ar­frei­en Weg beschrei­ten sollen.

Die Hoff­nung, dass Japan die­se Kata­stro­phe über­win­den wer­de, hat Mura­ka­mi den­noch nicht ver­lo­ren. Bereits nach dem Zwei­ten Welt­krieg sei Japan wie­der auf­ge­baut wor­den. «Von die­sem Refe­renz­punkt aus­ge­hend müs­sen wir wie­der auf­ste­hen und zurückkommen.»

«Wir dür­fen kei­ne Angst vor Träu­men haben», bemerk­te Mura­ka­mi zum Schluss sei­ner Rede. Im Gegen­teil, wir soll­ten unrea­lis­ti­sche Träu­mer sein, die tat­kräf­tig voranschreiten.

Die gesam­te Preis­sum­me über 80’000 Euro hat Haru­ki Mura­ka­mi an die Opfer der Kata­stro­phe gespendet.

Lesen Sie hier den voll­stän­di­gen Wort­laut der Rede, die Haru­ki Mura­ka­mi auf Japa­nisch hielt. 

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