Der Griff nach der Krone
In Japan ist zurzeit alles Nadeshiko. So werden die Spielerinnen der japanischen Fussballnationalmannschaft genannt. Die Prachtnelke, aber auch die anmutige, willensstarke Dame ist damit gemeint. Mit ihrem Finaleinzug an der WM in Deutschland sorgen die Japanerinnen für die so lang ersehnte gute Nachricht. Spätestens seit dem 1:0-Sieg über Favorit Deutschland im Viertelfinal steht das Land Kopf.
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Ihre Trikots sind ausverkauft, und die Sankei Sports widmet den Nadeshiko gar eine ganze Sonderausgabe. Der 3:1-Halbfinalsieg über Schweden lässt Japan nun vom grossen Titel träumen. «Ein Sieg im Final würde das ganze Land aufmuntern», erklärt ein junger Tokioter der New York Times. «Wir können uns nicht immer über die Katastrophe ärgern. Es muss weitergehen.»
Doch es ist gerade die Tragödie vom 11. März, die diese Mannschaft so stark gemacht hat. Mit einem Video der Tsunami-Katastrophe erinnerte Trainer Norio Sasaki vor dem Spiel gegen Deutschland die Mannschaft an ihre besondere Verantwortung . «Wenn es hart wird, denkt an die Opfer der Katastrophe und gebt alles für sie», soll er laut der Sankei Shimbun in der Kabine gesagt haben. «Es hat uns tief in unseren Seelen berührt», erklärte später Mittelfeldspielerin Aya Miyama.
Die Tepco-Spielerinnen
Für die Torjägerin Karina Maruyama und die Verteidigerin Aya Sameshima haben diese Worte eine noch speziellere Bedeutung. Beide spielten sie für das japanische Spitzenteam Tepco Mareeze, der Mannschaft des Betreibers des havarierten AKW in Fukushima. Maruyama bis 2009, Sameshima bis vor kurzem.
Bis im März war die 24-jährige Sameshima gar noch als Angestellte im Büro auf dem Gelände des AKW Fukushima 1 tätig, wie J-Cast News berichtet. Die meisten Spielerinnen üben nebenbei eine berufliche Tätigkeit aus, die japanische Frauenfussball-Liga ist zu wenig lukrativ.
Der plötzliche Wechsel
Nach der Katastrophe wurden die Tepco Mareeze aufgelöst. Fussball hatte angesichts der überwältigenden Probleme keine Priorität mehr. Aya Sameshima wurde plötzlich mit der Frage konfrontiert, ob sie in Fukushima bleiben oder ihre Karriere anderswo fortsetzen soll.
Um die WM nicht zu verpassen, entschied sie sich Ende März für den Transfer zu den Boston Breakers in die USA. «Es tut mir leid, dass ich unter diesen Umständen gewechselt habe», schrieb sie gemäss der Asahi Shimbun entschuldigend in einem E-Mail an ihre Teamkolleginnen. Später wechselten 10 weitere Spielerinnen die Mannschaft.
Angstgegner USA
Nun lebt Aya Sameshima mit dem WM-Finaleinzug ihren Traum. Gegen die USA, die Nummer 1 in der Fifa-Rangliste, haben die Japanerinnen noch kein einziges Mal gewonnen. Bei 24 Begegnungen gab es 3 Unentschieden und 21 Niederlagen.
Doch dieses Mal ist alles anders. Die speziellen Umstände haben die Nadeshiko zu Höchstleistungen beflügelt. Auch Sameshima glaubt an einen Sieg. «Gold oder Silber, das ist ein himmelweiter Unterschied. Jetzt wo wir so weit schon gekommen sind, wollen wir auch gewinnen.»
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