Der Herr über den Atomausstieg (Update)
In der Präfektur Saga auf der südlichsten Hauptinsel Kyushu entscheidet sich Japans künftige Atompolitik. Denn hier liegt das Atomkraftwerk Genkai, bei dem momentan 2 von 4 Reaktoren nach Unterhaltsarbeiten seit April auf die Wiederinbetriebnahme warten. Doch Gouverneur Yasushi Furukawa zögert. Bevor er eine Entscheidung trifft, möchte er sich noch einmal mit Premierminister Naoto Kan beraten und mehr über dessen Zukunftspläne zur Energiepolitik des Landes in Erfahrung bringen.
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Das Atomkraftwerk Genkai ist kein Einzelfall. In ganz Japan warten Reaktorbetreiber auf grünes Licht der Lokalregierungen. So sind im Moment 35 der 54 Reaktoren ausser Betrieb, wie NHK nachgerechnet hat. Einige wurden im Zuge der Katastrophe abgeschaltet, die meisten hingegen wurden wegen Unterhaltsarbeiten unterbrochen. Denn in Japan müssen gesetzlich alle 13 Monate die Reaktoren auf die Sicherheit geprüft werden.
Alles schaut auf die Präfektur Saga
Im Grunde genommen kann die Tokioter Regierung zusammen mit den Betreibern alleine die Wiederinbetriebnahme von Reaktoren nach Unterhaltsarbeiten anordnen. Doch nach Fukushima fordert die Regierung von Naoto Kan ausdrücklich auch die Zustimmung der Lokalregierung. Zu kritisch steht die Bevölkerung der Atomkraft zurzeit gegenüber (Asienspiegel berichtete).
Gouverneur Yasushi Furukawa muss nun als erster eine Entscheidung treffen. Sein Wort wird entsprechend zum Präzedenzfall. Noch halten sich die anderen zuständigen Präfekturregierungen mit endgültigen Aussagen bewusst zurück. Einzig Gouverneur Sato von der Präfektur Fukushima hat sich öffentlich gegen die Nuklearenergie gewandt (Asienspiegel berichtete).
Ausstieg bis April 2012?
Sollte sich Gouverneur Furukawa gegen das Atomkraftwerk Genkai aussprechen, könnte dies bei den restlichen Lokalregierungen eine Kettenreaktion zur Folge haben, die letztendlich den Atomausstieg Japans bis im April 2012 besiegeln könnte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt werden auch die noch restlichen zurzeit aktiven Reaktoren Unterhaltsarbeiten durchlaufen müssen. Japan würde sich bei diesem Szenario 10 Jahre früher aus der Atomkraft verabschieden als Deutschland.
Die Regierung Kan will dies unter allen Umständen verhindern. Denn somit müsste Japan auf einen Schlag auf 30 Prozent der Energiequellen verzichten. Für die Wirtschaft ein Horrorszenario. Industrieminister Banri Kaeida hat sich schon mal vorsorglich mit Gouverneur Furukawa getroffen und ihm garantiert, dass die Sicherheit für das AKW Genkai gewährleistet sei.
Der wirtschaftliche Druck
Der plötzliche Ausstieg ist jedoch nur eines von vielen Szenarien. Es ist gut möglich, dass einige Lokalregierungen ihre Reaktoren dennoch wieder in Betrieb nehmen. Denn zu gross ist in gewissen AKW-Regionen der wirtschaftliche Druck. Oft ist das Kernkraftwerk der einzig grosse Arbeitgeber. Der Bürgermeister Hideo Kishimoto der 6400 Einwohner kleinen Stadt Genkai hat denn schon einmal vorsorglich seine Zustimmung zum heimischen AKW ausgedrückt.
Vor laufenden Fernsehkameras sprach Kishimoto dem Präsidenten von Kyushu Electric Power, dem Betreiber des AKW Genkai, sein Vertrauen aus. Zum ersten Mal nach Fukushima hat somit ein Bürgermeister einer AKW-Ortschaft die Zustimmung zur Wiederinbetriebnahme gegeben.
Sorge der Nachbarn
In der Nachbarstadt Karatsu sieht man die Sache skeptischer. «Ich verstehe nicht, dass unsere Ängste einfach so weggewischt werden. Meine vorsichtige Haltung hat sich nicht verändert», erklärt der dortige Bürgermeister Toshiyuki Sakai gegenüber NHK. Auch die Nachbarspräfekturen Fukuoka und Nagasaki haben ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht.
Nun hängt alles vom endgültigen Entscheid von Gouverneur Yasushi Furukawa ab. Bürgermeister Kishimotos Zusage habe er gelassen entgegengenommen, sagte er in einer anschliessenden Pressekonferenz. Er verstehe die Sorgen des Bürgermeisters von Genkai, sollten die Reaktoren stillgelegt werden. Sein Entscheid basiere aber auf Beratungen mit dem Präfekturparlament und einer Unterredung mit Premierminister Naoto Kan. In den nächsten zwei Wochen will sich Furukawa genauer äussern.
Update, 13. Juli 2011
Japans Regierung hat wegen der zunehmenden Kritik einen Stresstest für alle Atomkraftwerke angeordnet. Damit kann Gouverneur Furukawa mit seinem Entscheid abwarten. Premierminister Naoto Kan hat zudem angekündigt, dass sein Land auf einen stufenweisen Atomausstieg hinarbeite.
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