Ein Wutausbruch mit Folgen
1. Akt: Der Wutausbruch
«Jetzt bist du nach mir hereingekommen, aber wenn normalerweise ein Gast kommt, bist du zuerst anwesend und dann rufst du den Gast. Ok? Die Armee, wo die Altersfolge respektiert wird, würde das doch auch so machen. Verstanden? Mach es also richtig!»
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Es waren die folgenschweren Äusserungen des neu ernannten Wiederaufbauministers Ryu Matsumoto bei seinem Besuch in der vom Tsunami verwüsteten Präfektur Miyagi am letzten Wochenende. Sein Ansprechpartner war niemand geringerer als der frühere Armeepilot und heutige Gouverneur Yoshihiro Murai, der Matsumoto beim Empfang warten gelassen hatte. Dies gefiel dem Mann aus Tokio gar nicht. Ein kurzes Händeschütteln zur Begrüssung wies Matsumoto mit den Worten «Das machen wir am Ende» ab.
Ursprünglich hätte Gouverneur Murai den Wiederaufbauminister Matsumoto über die aktuelle Situation informieren müssen. Stattdessen wurde es zu einer Lektion über gute Manieren. Der genervte Matsumoto sprach nur noch im Befehlston mit dem jüngeren Gouverneur.
2. Akt: Die Drohung
Selbst als es um den Wiederaufbau ging, gab es nur noch Anweisungen: «Auf einen Drittel bis einen Fünftel wird der Fischereihafen konzentriert. Finde mit den Fischern eine Einigung. Falls nicht, machen wir gar nichts mehr. Also mach es richtig!» fauchte er den Gouverneur an.
Nur kurze Zeit später bemerkte Matsumoto, dass bei dieser Erziehungsstunde die anwesenden Medienleute alles aufgenommen hatten. «Und nun an alle: Das hier war jetzt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Falls Sie darüber schreiben, wird es das Ende ihrer Firma sein», drohte der Wiederaufbauminister mit einem verlegenen Lächeln.
3. Akt: Der Youtube-Moment
Die japanischen Medien dachten keinen Moment daran, dem Regierungsbefehl Folge zu leisten. Schon bald wurde die Unterredung in den Zeitungen wiedergegeben. Später erschien das dazugehörige Video in den Nachrichtensendungen – und kurz darauf auch auf Youtube, Twitter und Google.
Selbst in einem Land, das starken Wert auf den Respekt vor den Älteren legt, waren Matsumotos Worte des Guten zu viel. Ausgerechnet in der Präfektur Miyagi, das die höchsten Opferzahlen nach dem Tsunami vom 11. März zu beklagen hatte, erteilte jemand von der weit entfernten Zentralregierung, deren Krisenmanagement bis heute in der Kritik steht, eine Lektion in guten Manieren.
Gouverneur Yoshihiro Murai, der bei der Unterredung noch gute Miene zum bösen Spiel gemacht hatte, zeigte laut FNN News wenig Verständnis für Matsumotos Ausbruch: «Die Zentralregierung und die Lokalregierungen sind gleichwertige Partner. Anstatt in einem Befehlston zu sprechen, sollte man respektvoll miteinander umgehen.»
4. Akt: Die Rechtfertigungen
Die oppositionellen Liberaldemokraten forderten Matsumotos Rücktritt. Die Kabinettssekretär Yukio Edano setzte sich noch einmal für den Wiederaufbauminister ein. Matsumoto sei seit dem 11. März unermüdlich für die Opfer eingestanden. Er wisse wie man den Wiederaufbau beschleunigen könne. Die etwas hilflose Rettungsaktion kam jedoch zu spät.
Auch die nachgelieferte persönliche Entschuldigung bei der eigens einberufenen Pressekonferenz nützte Matsumoto nichts mehr. Stattdessen goss er mit seiner Erklärung, dass er 3 bis 4 Minuten warten musste und deshalb wütend wurde, zusätzlich Öl ins Feuer. Die Medien rechneten nach und kamen auf lediglich 1 Minute 37 Sekunden Wartezeit.
Matsumotos Rechtfertigungen machten hier aber nicht halt. Er sei halt aus Kyushu, dort pflege man einen raueren Umgangston. Und ja, als Mann mit der Blutgruppe B, sei er etwas ungestüm. Die Blutgruppe wird Japan gerne als besonders charakterdefinierend angesehen (Asienspiegel berichtete).
5. Akt: Der Rücktritt
Am 5. Juli wurde der Druck für den Wiederaufbaumminister schliesslich zu gross. Unter Tränen gab er nach nur einer Woche Amtszeit seinen Rücktritt bekannt. Dabei war es nicht einmal der schnellste Rücktritt im Kabinett von Naoto Kan. Finanz- und Postminister Shizuka Kamei trat im Juni 2010 nach nur 3 Tagen zurück.
Der neue Wiederaufbauminister ist übrigens schon ernannt. Es ist Tatsuo Hirano. Der Politiker der regierenden Demokraten kommt aus der Präfektur Iwate, die ebenfalls vom Tsunami schwer getroffen wurde. Kulturelle Missverständnisse sollten somit ausgeschlossen sein.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken