«Schlagwörter genügen nicht»
Premierminister Naoto Kan verkündete in einer Grundsatzerklärung den stufenweisen Ausstieg Japans aus der Kernenergie (Asienspiegel berichtete). Die Abhängigkeit von der Kernkraft müsse schrittweise gesenkt werden, so dass in Zukunft eine Gesellschaft verwirklicht werden könne, die ohne Atomkraftwerke auskomme.
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Einen Tag später präzisierte Kabinettsekretär Yukio Edano die Aussagen seines Chefs. Eine Gesellschaft ohne Atomkraft sei lediglich eine Hoffnung für die ferne Zukunft. Kans Bemerkung sei vielmehr als Beginn einer nationalen Debatte zu verstehen. Dies scheint dem Premierminister bestens gelungen zu sein. In Leitartikeln nahmen die grossen japanischen Tageszeitungen bereits vor der Präzisierung Edanos ausführlich Stellung zum Thema.
Lobende und kritische Worte
«Es handelt sich hier um eine grosse politische Kehrtwende», bezeichnete die Asahi Shimbun die Erklärung von Naoto Kan. Die grosse Tageszeitung begrüsse und unterstütze die Absichten des Premierministers. Es sei zweifellos so, dass sich alternative Energien sprunghaft verbreiten und die Abhängigkeit der AKW verringert werden müsse. Auch die Mainichi Shimbun «schätzt und unterstützt» die Grundsatzrede von Naoto Kan. Damit enden aber die lobenden Worte.
Zu vieles ist am Tag nach Kans Ausstiegsplänen unklar. «Bei der Rede von Naoto Kan fehlt es an konkretem», fährt die Mainichi Shimbun fort und fragt kritisch nach: «Wann genau meint er mit ‹in der Zukunft›?» Und wie genau wolle er die alternativen Energien fördern?
Die Tageszeitung hat ihre Zweifel, dass der Atomausstieg auch wirklich im Kabinett ausführlich diskutiert wurde. So habe der Premier vorbemerkt, dass es sich bei diesen Worten um seine persönlichen Gedanken handle. «Es ist daher ungewiss, ob es sich um ein Politik der Regierung handelt.» Mit dem baldigen Rücktritt von Naoto Kan sei daher zu befürchten, dass «der Atomausstieg mit seiner persönlichen Meinungsäusserung endet.»
Was meint die Regierungspartei dazu?
Auch der Asahi Shimbun fehlt es an politischem Konsens inner- und ausserhalb der Regierungspartei. «Es handelt sich hier um einen plötzlichen Entscheid des Premiers.» Hier seien nicht wie üblich lange Diskussionen zwischen Kabinett und der Regierungspartei der Demokraten (DPJ) vorausgegangen.
Gerade die DPJ habe in der Vergangenheit eine unbeständige Linie in der Energiepolitik verfolgt. Als Oppositionspartei bezeichnete sie die Kernkraft als «Übergangsenergie», als Regierungspartei unter Kan wurde plötzlich der Ausbau der Atomenergie beschlossen und der Verkauf der Technologie ins Ausland als Wachstumsstrategie festgelegt. Und nun die erneute Kehrtwende. Die DPJ müsse daher grundlegend über ihre Position diskutieren, schreibt die Asahi Shimbun. «Ansonsten bleiben die Worte des Premiers eine Fiktion.»
Die Kritik der Yomiuri Shimbun
Nicht nur als Fiktion, sondern als «unverantwortlich» bezeichnet die grösste japanische Tageszeitung, die Yomiuri Shimbun, die Worte von Naoto Kan. Der Premier schade mit diesem Entscheid der Wirtschaft. Die Unternehmen würden durch die höheren Strompreise ins Ausland ziehen. «Um den Niedergang der Wirtschaft zu verhindern, ist es unvermeidlich, dass wir die AKW weiterbetreiben», folgert die Yomiuri Shimbun. Sie vermutet hinter dem Versprechen von Kan den Versuch, seine Amtszeit zu verlängern. «Eine Effekthascherei, die nur für viel Chaos sorgt.»
Auch die Asahi Shimbun warnt vor leeren Versprechungen: «Nach dem der schlimmste Atomunfall Realität wurde, genügen Schlagwörter nicht mehr.» Die Tageszeitung fordert die konkrete Ausarbeitung einer Ausstiegspolitik. Diese müsse unabhängig von der Parteizugehörigkeit zum gemeinsamen Ziel erklärt werden. Nur so könne der eingeschlagene Weg, ungeachtet davon, wer der nächste Premierminister werde, konsequent beschritten werden.
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