Singen gegen die Atomkraft
«Die Strahlung ist stark, die Strahlung ist mächtig, sie diskriminiert niemanden und sie verliert gegen niemanden», singt der japanische Musiker Rankin Taxi zusammen mit der Dub Ainu Band im Refrain seines Protestsongs Dare nimo mienai nioi mo nai (dt. Niemand sieht es, niemand riecht es). In einer wilden Collage prangert er in seinem satirischen Musikvideo zu Reggae-Rhythmen den Mythos der nuklearen Sicherheit an.
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Niemand sei davor sicher, auch wenn man Gaddafi, Obama, Sarkozy, Berlusconi oder Premier Kan heisse, singt Rankin Taxi, der mit bürgerlichem Namen Takeshi Shirahama heisst. «Die Atomkraftwerke sind sicher, sicher, sicher wenn sie nicht mehr sind», folgert er schliesslich in seinem satirischen Song, der auf Youtube über 100’000 Mal angeschaut wurde. Inzwischen gibt es auch eine Version mit englischem Untertitel.
Verbreitung übers Internet
Auch die japanischen Rapperin Coma-chi sorgt mit ihrem Protestsong Say No auf Youtube für Furore in der Internetgemeinschaft. Japans Musiker liefern über ihre eigenen Kanäle den Soundtrack zur Stimmung nach der Katastrophe von Fukushima. Von den klassischen Nachrichtenkanälen werden sie jedoch kaum beachtet, obwohl inzwischen eine Mehrheit gegen den Bau von neuen AKW ist (Asienspiegel berichtete).
Zu stark sind die grossen Medienkonzerne mit den mächtigen Stromproduzenten verbandelt. Ein Zustand, den bereits Schriftsteller Haruki Murakami in seiner Rede zu Fukushima anprangerte (Asienspiegel berichtete). Gemäss einer Studie der Nikkei Advertising Research Institute geben Tepco und Co. jährlich fast 1 Milliarde Euro für Werbung aus. Dies hinterlässt Spuren: So berichtete die New York Times wie Radiosprecher Peter Barakan vom japanischen Sender InterFM kurz nach der Katastrophe Anti-AKW-Songs aus der Zeit nach Tschernobyl spielen wollte, dann aber zurückgepfiffen wurde. Das Risiko «eines Schadens wegen Verbreitung von Gerüchten» sei zu gross, lautete die Begründung.
Die Vorhersehung der Rocklegende
Die 2009 an Krebs verstorbene Rocklegende Kiyoshiro Imawano und seine Band RC Succession wussten sich bereits in den 1980er-Jahren mit dem Establishment anzulegen. In Summertime Blues prangerte er zwei Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl den AKW-Bauwahn in Japan an.
«Das Tokai-Erdbeben steht uns noch bevor, und trotzdem werden immer neue Atomkraftwerke gebaut. Kann mir jemand sagen wofür?» sang Imawano 1988. 37 Reaktoren gab es dazumal. Heute sind es bereits 54. Sein Musikverlag Toshiba EMI zog den Song in letzter Minute zurück. Denn zufälligerweise baut Toshiba auch Kernkraftwerke.
Schliesslich wurde Summertime Blues von Kitty Records veröffentlicht. Ironischerweise machte die Geschichte um den Rückzieher das Album mit dem Protestsong 1988 zu einem Nummer-1-Hit.
Skeptische Musiker
Wie die Geschichte um die Protestsongs dieses Mal ausgeht, ist offen. Rankin Taxi, der sein Reggae-Lied bei den Anti-AKW-Demonstrationen in Tokio unter die Leute gebracht hat, ist skeptisch. Die Japaner hätten gerne Nonsense-Songs. «Sie wollen Unterhaltung und keine Botschaft», meint der Musiker im Gespräch mit der New York Times.
Er befürchtet, dass auch Fukushima schon bald wieder aus dem Blickfeld der Bevölkerung verschwinden könnte. «Es gibt immer noch Menschen, die Nuklearenergie fördern wollen. Im Moment sind sie zurückhaltend, aber sie werden zurückkommen, sobald die Menschen Fukushima vergessen haben.»
Ein interessantes Interview mit Rankin Taxi finden Sie hier.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken