Chinas Rockstar
Puma Mimi ist die Sängerin der japanisch-schweizerischen Elektropop-Band Tim & Puma Mimi. Für Asienspiegel schreibt sie über japanische Bands, Events und Kunst. Puma Mimi führt uns in eine Kultur Japans, die jung und angesagt und in Europa kaum bekannt ist.
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Letzten Monat waren Tim & Puma Mimi an der Lethargy in der Roten Fabrik. Hier wird am Streetparade-Wochenende während 3 Nächten gefeiert. Dieses Jahr gab es den neuen Floor China Drifting. Mit dabei waren zahlreiche Musiker aus China und auch Tim & Puma Mimi. Ich bin zwar nicht aus China, aber immerhin aus dem Fernen Osten.
An der Lethargy habe ich die beeindruckende Musikerin Helen Feng kennengelernt. Die in Peking lebende Sino-Amerikanerin ist die Sängerin von Nova Heart und Free the Birds, eine Fernseh- und Radiopersönlichkeit und 2010 VOM TIME OUT BEIJING MAGAZINE ZU EINEM DER COOLSTEN CHINESISCHEN ROCKSTARS GEKÜRT. Helen ist nicht nur eine Sängerin, sondern auch eine umtriebige Musikveranstalterin.
Für ihre Show auf MTV China war Helen Feng an der Lethargy, wo sie über die Schweizer Musikszene inklusive Tim & Puma Mimi berichtete. Mit ihrer Band Nova Heart trat sie dann gleich noch selbst auf. Es ist höchste Zeit, dass Helen Feng einem deutschsprachigen Publikum näher gebracht wird. Dafür habe ich mich mit ihr unterhalten.
NOVA HEART
Helens neustes Projekt ist Nova Heart, die gleich nach uns an der Lethargy auftraten. Per Zufall kam sie auf die Band. «Letzten Sommer erlitt ich an einem Konzert mit meiner ehemaligen Band Pet Conspiracy nach einem Stagedive einen Sehnenriss im Knie», erzählt Helen. «Ich konnte mich nur noch im Rollstuhl oder an Krücken fortbewegen. Hinzu kam, dass ich im 6. Stock eines Wohngebäudes ohne Lift lebte. Zu Hause gefangen begann ich anhand von Garageband auf meinem Laptop Songs zu schreiben.»
ALS SIE SICH VON IHRER VERLETZUNG ERHOLTE, MERKTE SIE, DASS SIE GENUG MUSIK FÜR EIN GANZES ALBUM GESCHRIEBEN HATTE. Auf der Suche nach einem Produzenten stiess sie auf den Italiener Edo Rodion. «Ich begegnete Edo zufällig, als ich mich in Istanbul von einer Tour erholte. Wir kamen sofort miteinander klar.»
Später kamen noch Bassist Bo Xian und der Gitarrenspieler Wang Zon Can hinzu, «um dem Synthpop und der Italo-Disco ein rockigeres Gefühl zu geben.» Sie nannten ihr Projekt Nova Heart, «weil es für uns alle ein Neuanfang war». Ein Album, mit den Songs, die Helen auf ihrem Bett schrieb, wird bis Ende Jahr folgen.
FAKE MUSIC MEDIA
Das ist aber nicht alles. Helen Feng gründete zusammen mit dem Deutschen Philipp Grefer die Firma Fake Music Media (FMM), mit dem sie den kulturellen Austausch zwischen China und Europa fördert. So brachten sie letztes Jahr Bands wie Jahcoozi und Pichtuner ins Reich der Mitte. «Wir beschränken uns aber nicht nur darauf», betont Helen. Mit FMM decken alle Bedürfnisse ab, die eine Band hat, ab. Und wenn es ihnen langweilig wird, organisieren sie auch Partys.
Doch was ist eigentlich Fake an dieser ganzen Sache? «Wir dachten einfach, dass es so viele gefälschte Sachen in China hat. Wir verabscheuten die Idee einer vorgefertigten Promotions- oder Managementfirma. Viel lieber wollten wir etwas erschaffen, das die Neugier der Menschen anregt.» Mit Fake Music Media bringt Helen Feng einen neuen Blickwinkel in die chinesische Indie-Musikszene, die ihrer Meinung nach gerade «die typischen Anfangsschwierigkeiten» durchmacht. «DIE INDIESZENE IN CHINA LÖST SICH VON IHREN WESTLICHEN VORBILDERN», erklärt Helen. «Im Moment sind alle auf der Suche nach der eigenen Persönlichkeit und einzigartigen Identität.»
Gerade hier spielt FMM eine wichtige Rolle. «Es geht darum, diese Kultur aufzubauen, und nicht nur einfach herumzuschieben. Denn es gibt noch viel Platz für Kultur hier und einen grossen Mangel davon in China.»
MTV CHINA IN ZÜRICH
Mit Fake Music Media produziert Helen Feng auch eine Show auf MTV China, die sich mit den Indieszenen der Welt befasst. «Wir geben unseren Zuschauern einen Geschmack für die Musikszenen auf diesem Planeten. Nicht der einfach zugängliche Mainstream, sondern der Underground und anderes Interessantes sind hier im Fokus.»
Für die zweite Episode von MTV on Tour kam MTV China nach Zürich. Dabei machten sie Interviews mit der Zen-Funk-Band RONIN, Big-Band-Disco Kalabrese, Philipp Meier vom Cabaret Voltaire und dem sino-schweizerischen Kulturpromoter Michael Vonplon. Und auch uns, die japanisch-schweizerische Freak-Popband Tim & Puma Mimi, stellte MTV China vor.
Im Vergleich zur chinesischen und asiatischen Musikszene, die stark vom Westen beeinflusst ist, zeigte sich Helen beeindruckt vom schweizerischen Musikschaffen. «Man sieht, dass die Schweizer an allem interessiert sind.» Von der rituellen japanischen Musik über den amerikanischen Blues der 30er-Jahre bis zur afrikanischen Musik und den Stilen anderer europäischer Länder. «DAS IST WIE EIN GROSSER MIXER, DER ALLES VERMISCHT, WAS ER BERÜHRT. Das ist ziemlich cool.» Und dies sei auch der wahrnehmbarste Unterschied zur Musikszene in China.
DIE INDIEBEZIEHUNG ZU JAPAN
Wir Ihr vielleicht wisst, sind China und Japan politisch nicht die besten Freunde. «Die Geschichte zwischen Japan und China ist sehr komplex. Viele negative Gefühle werden durch einen Mangel an Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit und durch die politischen Führungen provoziert. Beide Regierungen versuchen ihre Bevölkerungen damit abzulenken, um ihre eigenen Schwächen zu überdecken», analysiert Helen Feng die aktuelle politische Situation in Ostasien. «Die Spannungen rühren heute von der konservativen Seite des japanischen Politsystems und dem Machtspiel unter den chinesischen Politikern.»
Für die junge Generation spiele dies aber keine Rolle, meint Helen. «ICH GLAUBE, DASS DIE JUNGEN CHINESEN EINE GROSSE BEWUNDERUNG FÜR JAPANS KULTURELLE OFFENHEIT, KUNST, MUSIK UND MODE HEGEN.» Letztes Jahr trat Mono, ein experimentelles Rockorchester aus Japan, auf der Hauptbühne des Modern Sky Festivals auf. Und auch einige japanische DJs, wenn auch noch nicht so viele, touren in China. Helen glaubt, dass hier nicht politische Probleme, sondern der eingeschränkte Fokus der chinesischen Indieszene auf die USA und Grossbritannien, eine Rolle spielt. Doch auch dies sei sich im Begriff zu ändern. «Viele suchen eine Abwechslung von ihrer klaren USA- und UK-Orientierung. Nur schon deshalb glaube ich, dass es noch viel Potential für japanische Künstler gibt.»
In diesem Zusammenhang nennt Helen die deutsche Band Pitchtuner, die durch China tourte. «Wir arbeiteten mit Pitchtuner aus Berlin zusammen, die auch ein japanisches Bandmitglied haben. Die Band war vor ihren China-Konzerten besorgt darüber, dass es deswegen zu negativen Reaktionen kommen könnte. Aber als sie nach China kamen, trafen sie kein einziges Mal auf derartige Ressentiments. Sie waren positiv überrascht.»
TIM & PUMA MIMI IN CHINA
Natürlich ist auch Tim & Puma Mimi interessiert daran, nach China zu gehen. Deshalb frage ich Helen nach ein paar Tipps. «Sucht euch eine gute Vorband aus der Region aus. Denn die Fans in China verfolgen ihre Künstler mehr als die Internationalen. EINE GUTE VORBAND KANN VIELE TÜREN ÖFFNEN.» Ein lokaler Partner, der China kennt und einen dementsprechend richtig promoten könne, sei ebenso wichtig.
Die Szene sei noch jung, deshalb solle man viel Geduld mitbringen, betont Helen weiter. «Vergesst nicht, China ist noch ein Land in der Entwicklung. Bleibt positiv, auch wenn es mit dem Soundtechniker einmal nicht klappen sollte. Bringt am besten euer eigenes technisches Gerät mit.» Und ja, man solle sich auch eine chinesische Webpräsenz aufbauen, denn Seiten wie Youtube, Facebook oder Teile von Myspace sind in China gesperrt.
Nun gut, wir werden deine Vorschläge beherzigen. Man sieht sich in China, Helen!
Tim & Puma Mimi ist eine Elektropop-Band bestehend aus dem Schweizer Produzenten Tim und der japanischen Sängerin Puma Mimi.
Seit 2004 komponiert und produziert Tim Songs und spielt Keyboard, Flöte sowie selbst gebaute Instrumente. Der Fruitilyzer, mit dem er Gurken elektrifiziert, ist ein Markenzeichen der Band. Puma Mimi schreibt dazu die Texte in ihrer Muttersprache.
Bis 2009 spielten Tim & Puma Mimi die weltweit ersten Skype-Konzerte: Mimi sang in den Laptop in der Küche ihrer japanischen Wohnung. Bild und Ton wurden via Skype in ein Konzertlokal in Europa übertragen. Da Mimi in Japan sozusagen keine Ferien hatte, war das die einzige Möglichkeit Konzerte zu spielen. Dieses aussergewöhnliche Live-Konzept fand viel Beachtung in den Medien.
Bis jetzt haben Tim & Puma Mimi mehr als 150 Konzerte auf der ganzen Welt gespielt – Skype und «echte» Konzerte. Ihr grössten Auftritte hatten sie im Womb Tokio 2007, am Paléo Festival Nyon 2009, Sonar Festival Barcelona 2010 und Montreux Jazz Festival 2010.
OFFIZIELLE WEBSITE: www.timpuma.ch
FACEBOOK: http://www.facebook.com/pages/Tim-Puma-Mimi/125410150826336?ref=ts
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Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
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