«Dann werden es null AKW sein»
Es ist wie immer in der Politik. Ein wichtiger Entscheidungsträger drückt sich scheinbar klar aus, und lässt trotzdem alles offen. So war es auch an der Pressekonferenz des neuen Wirtschafts- und Industrieministers Yoshio Hachiro. Auf die künftige Zahl der Atomkraftwerke angesprochen, sagte er: «Berücksichtigt man die Bemerkungen von Premier Noda, keine neuen AKW zu bauen und veraltete ausser Betrieb zu nehmen, wird die Zahl der japanischen Kernkraftwerke in Zukunft einmal Null sein.»
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Momentan ist gemäss der Mainichi Shimbun offiziell der Bau von 12 neuen Reaktoren in Planung. Doch kein Projekt ist seit der Katastrophe in Fukushima wirklich vorangekommen. Zu gross ist der Widerstand in der Bevölkerung. Folglich zögern auch die zuständigen Präfekturregierungen die Projekte zu unterstützen (Asienspiegel berichtete).
In Kaminoseki in der Präfektur Yamaguchi versuchen Anwohner bereits seit 30 Jahren den Bau eines AKW zu verhindern, wie die New York Times in einer eindrücklichen Reportage aufzeigt. Nach der Katastrophe von Fukushima hat sich nun aber auch der Gouverneur der Präfektur auf die Seite der Gegner geschlagen. Die Zentralregierung in Tokio soll endlich eine klare Atompolitik und die dazugehörigen Sicherheitsmassnahmen ausformulieren, heisst es inzwischen von verschiedenen lokalen Regierungen.
Reduktion statt Aufstockung
Wirtschaftsminister Hachiro bestätigte an der Pressekonferenz, dass es «schwierig» sein werde, Neubauprojekte für Reaktoren, wie beispielsweise das AKW Kaminoseki, überhaupt zu realisieren. «Die öffentliche Meinung tendiert allgemein zur Reduktion denn zur Aufstockung», begründete er seine Ausführungen.
Nach der Kabinettssitzung war Hachiro gezwungen zu präzisieren. Denn schon einmal hatte sich mit Ex-Premier Naoto Kan ein Exekutivpolitiker einen Atomausstieg angedeutet und sich später korrigieren lassen (Asienspiegel berichtete). «Ich habe mich auf den logischen Standpunkt von Premier Nodas Bemerkung gestellt. Das bedeutet aber nicht, dass ich als Wirtschaftsminister nur diese 1 Schlussfolgerung daraus ziehe», meinte Hachiro gemäss der Nikkei Shimbun Yoshio zu seiner Null-AKW-Aussage.
Die unklaren Aussagen von Minister Hachiro zeigen, wie schwer sich die japanische Politik derzeit mit einer klaren Atompolitik tut. Die Sorgen der Bevölkerung, die offenen Frage nach der Energiesicherheit und die Interessen der Atomlobby scheinen die Regierung vor einer klaren Entscheidung abzuhalten. Lieber lässt man «nachprüfen». In diesem Sinne hat das Wirtschaftsministerium nun eine Kommission ins Leben gerufen, die sich noch diesen Monat mit der mittel- und langfristigen Energiepolitik des Landes befassen soll.
Nur noch 11 Reaktoren in Betrieb
Klar ist einzig, dass Premier Noda bereit ist, grünes Licht für den Betrieb der derzeit stillgelegten Reaktoren zu geben, sofern der angeordneten Stresstest und eine zusätzlichen Untersuchung der Internationalen Atomenergiebehörde positiv verlaufen. Die ersten Ergebnisse des Stresstests sollen noch diesen Monat bekannt gegeben werden. Wegen der Katastrophe in Fukushima und der regelmässigen Unterhaltsarbeiten sind inzwischen nur noch 11 von 54 Reaktoren in Betrieb. Fällt in den nächsten Monaten keine Entscheidung, könnten bis im Frühling des nächsten Jahres alle Reaktoren vom Netz genommen worden sein. Dazu wolle er es aber nicht kommen lassen, betonte Hachiro in einem Fernsehinterview.
Die Tokioter Regierung will jedoch auch die Zustimmung der Lokalbehörden für eine mögliche Wiederinbetriebnahme der Reaktoren einholen. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass die Lokalbehörden einer Wiederaufnahme einwilligen, sofern Tokio unfähig ist, eine klare Atompolitik für die Zukunft zu formulieren.
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