Kuchenessen unter Männern
Sie sind zwischen 20 und 50 Jahre alt. Sie sind alle männlich und von Beruf Student, Unternehmer oder Salaryman. Und alle haben sie eine Vorliebe für Süssigkeiten. Über eine Internetforum verabreden sie sich, um Kuchen zu essen und das ganz ohne weibliche Begleitung.
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Dafür verbringen sie zusammen gleich ein Wochenende in einem Hotel, das ein ansprechendes Dessertbuffet anbietet. Zumeist isst man zu viert. Thema sind die neusten leckeren Patisserien in Tokio. Diese Art von Männertreffen (jap. danshikai) ist gemäss der Asahi Shimbun der neuste Trend unter urbanen Japanern.
Die Hilton-Hotelkette bietet für die Männertreffen gleich spezielle Kombiangebote für Wochenenden und Feiertage an. Dann können die Liebhaber des Süssen am Buffet zwischen 35 verschiedenen Dessertsorten auswählen.
Lieber ohne Frauen
Gemäss der Hotelkette hat das Kuchenessen unter Männern so klassische japanische Männerbeschäftigungen wie Trinkfeste oder Karaoke an Beliebtheit übertroffen. Die Gründe für diese neue Vorliebe scheinen ganz unterschiedlich zu sein.
«Wenn Frauen dabei sind, geht es nur darum, ihnen zu gefallen», erklärt ein Teilnehmer der Asahi Shimbun. «Wenn wir unter Männern sind, kann man sich treffen, ohne sich verstellen oder auf sein Äusseres achten zu müssen.»
Das neue Männerbild
Das Kuchenessen unter Männern ist für Japans Medien ein weiterer Beweis dafür, wie sich das klassische Männerbild mit der wirtschaftlich anhaltenden Stagnation verändert hat. Vorbei sind die Zeiten, als sich der hart arbeitende Angestellte tagsüber einzig materialistischen Werten hingab und sich am Abend mit seinen Kollegen betrank.
So ist der traditionelle männliche Lebenslauf «Uni-Abschluss, Job fürs Leben, Hochzeit, Haus, Kind und Auto» durch die geringe Arbeitsplatzsicherheit keine Selbstverständlichkeit mehr. «Heute können die Männer schlicht nicht mehr dieses Klischee des ‹Glücklichen Lebens› führen», erklärt die Kolumnistin Maki Fukasawa.
Der Pflanzenfresser
Entsprechend haben sich die Lebensplanung und die Einstellung des Mannes in Japan verändert. Fukusawa hat in diesem Zusammenhang den Begriff des Pflanzenfressers (jap. soshoku danshi) geprägt (Asienspiegel berichtete).
Es sind Männer, die sich in den Familien und Freundeskreis zurückziehen, der Liebe einen geringen Stellenwert geben, und ein unscheinbares Leben ohne materielle Werte führen. Es sind junge Männer, die gesellschaftliche Normen und Erwartungen hinterfragen. Und auch kein Problem damit haben, mit ihren männlichen Freunden ein ganzes Wochenende lang in einem Hotel Kuchen zu essen.
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