Das strahlende Haus in Tokio
Japan ist zu einem Land der privaten Strahlenmesser geworden. Weil viele Menschen der Regierungsarbeit nicht trauen, greifen sie selbst zum Dosimeter. Und tatsächlich werden sie fündig. Im Vorgarten eines verlassenen Hauses im Tokioter Bezirk Setagaya wurde vor 2 Tagen eine stark erhöhte Strahlung entdeckt. Die Behörden trabten an und massen noch auf dem davorliegenden Gehsteig bis zu 3,35 Mikrosievert pro Stunde.
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Das war ein höherer Wert als beispielsweise im evakuierten Iitate in der Präfektur Fukushima. Würde jemand täglich 8 Stunden lang sich dieser Strahlung aussetzen, würde er in einem Jahr 14,2 Millisievert abbekommen. Die empfohlene Dosis für nicht strahlenexponierte Personen liegt bei 1 Millisievert pro Jahr.
Die Aufregung in Tokio war entsprechend gross. Immerhin liegt Setagaya über 230 Kilometer vom havarierten AKW Fukushima entfernt. Ausserdem wurde der Hotspot in diesem Tokioter Wohngebiet täglich von Schulkindern passiert.
Mögliche Ursachen
Erste Strahlenexperten vermuteten angesammeltes, verstrahltes Regenwasser, das zu dieser hohen Konzentration geführt hatte. Bereits an anderen Orten in der Präfektur Chiba hatte es solche Fälle gegeben.
Doch sehr schnell kamen Zweifel auf. Professor Fukushi von der Tokyo Metropolitan University war einer der ersten, der die Ursache nicht im AKW Fukushima sah. Bei den erhöhten Werten handle es sich um Radium 226, das kaum aus einem AKW stammen könne, sagte Fukushi gegenüber TBS News.
Unter dem Fussboden
Tatsächlich fand man in einem Fach unter dem Fussboden des betroffenen Hauses eine Holzkiste mit kleinen Flaschenbehältern, deren pulvriger Inhalt gemäss den Behörden die starke Strahlung von sich gab. 600 Mikrosievert pro Stunde wurden an der Oberfläche der Flaschen gemessen.
Radium wurde vor und noch nach dem Zweiten Weltkrieg bei Krebsbehandlung, in heissen Quellbädern (sogenannten Radonbädern) aber auch für den industriellen Gebrauch verwendet. So wurde zum Beispiel der Leuchteffekt von Radium für Ziffernblätter in Uhren genutzt. Die schädigende Wirkung von Radium war lange nicht bekannt.
Das japanische Wissenschaftsministerium nimmt an, dass auch im Fall von Setagaya das Radiumpulver für die frühere Uhrenproduktion bestimmt war. Denn ein solches Pulver fände in der medizinischen Behandlung keine Anwendung.
Haus aus den 1950er-Jahren
Inzwischen haben die Behörden die strahlende Holzkiste in einen sicheren bleiernen Behälter gelegt und ausser Haus gebracht. Das betroffene Haus wurde 1950 gebaut und von einem Geschäftsmann bewohnt, der vor rund 10 Jahren gestorben war. Zuletzt lebte bis im Februar dieses Jahres die betagte Besitzerin in diesem Haus. Sie konnte sich aber gemäss verschiedenen Medienberichten nicht mehr an die strahlende Kiste erinnern.
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