Der Aufstand gegen die alte Garde
Tsuneo Watanabe ist das japanische Pendant zum Medienmogul Rupert Murdoch. Der heute 85-jährige Pfeifen rauchende Mann ist seit 1991 Präsident der Yomiuri Group und gleichzeitig Chefredakteur der dazugehörenden Yomiuri Shimbun, mit einer Auflage von 14 Millionen Stück die grösste Zeitung der Welt. Früher selbst ein Politik-Reporter, pflegt er ein Beziehungsnetz, das bis in die höchsten politischen Kreise reicht.
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«Premier Koizumi hörte manchmal auf mich», sagte er noch 2006 in einem Interview mit der New York Times. Und als Koizumi nicht mehr zuhörte, wandte sich Watanabe von ihm ab. In den 1980er-Jahren galt Watanabe gar als der heimliche Strippenzieher in der Politik. Man nannte ihn den Schatten-Shogun. Dem früheren Premierminister Yasuhiro Nakasone steht er bis heute nahe.
Das Machtwort
Ganz nebenbei ist Tsuneo Watanabe auch Präsident der Yomiuri Giants, dem firmeneigenen Baseball-Traditionsvereins aus Tokio. Ähnlich einem Silvio Berlusconi bei der AC Milan, ist es sich Tsuneo Watanabe gewöhnt, hin und wieder ein Machtwort zu sprechen. So ersetzte der 85-Jährige letzte Woche in Eigenregie kurzerhand den Trainer der Mannschaft, obwohl die Geschäftsführung zuvor beschlossen hatte, am Statusquo festhalten zu wollen.
In Japans streng der Hierarchie und Loyalitäten verpflichteten Unternehmerwelt werden solche Entscheide von grauen Eminenzen gewöhnlich stillschweigend akzeptiert. Doch nicht in diesem Fall. Hidetoshi Kiyotake, General Manager und damit Hauptverantwortlicher für die Belange der Yomiuri Giants, wagte den Aufstand gegen den einflussreichen alten Mann.
Die unerwartete Kritik
In einer eigens anberaumten Pressekonferenz protestierte Geschäftsführer Kiyotake, in Beisein seines Anwalts und voller Tränen in den Augen, gegen das Machtgebaren Watanabes. «Der Präsident hat mit seinem Handeln die Autorität des General Managers untergraben», erklärte Kiyotake. Watanabe habe sich somit über die internen Regeln gesetzt.«Sein rücksichtsloses Vorgehen ist nicht nur ein Betrug am Trainer, sondern auch an den Fans.»
Es waren ungewöhnlich starke Worte, die so in Japan kaum zu hören sind. Und dabei zog Kiyotake einen aufschlussreichen Vergleich. «Menschen in einer Machtposition sollten nicht die internen Regeln und Kontrollen missachten, wie wir das im Fall von Olympus gesehen haben.»
Die kleine Revolution
Kamerahersteller Olympus erlebt zurzeit einen Skandal von zerstörerischer Grösse. Die oberste Chefetage hat Bilanzfälschungen in Milliardenhöhe zu verantworten. Aufgedeckt hatte es der neu ernannte britische Konzernchef Michael Woodford, der intern auf die Unregelmässigkeiten hingewiesen hatte und daraufhin entlassen wurde. Die Veröffentlichung des Betrugs konnte die Chefetage jedoch nicht mehr verhindern.
General Manager Hidetoshi Kiyotake hat sich scheinbar vom entlassenen Briten Woodford inspirieren lassen. Tsuneo Watanabe selbst hat sich mit einer Reaktion bislang zurückgehalten. Egal, wie diese Geschichte ausgehen mag: Gegen den Schatten-Shogun aufzubegehren ist mehr als ein starkes Zeichen. Es ist eine kleine Revolution, die so einige unternehmerische und gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten Japans in Frage stellt.
Update, 19. 11. 2011
Hidetoshi Kiyotake wurde als General Manager der Yomiuri Giants gefeuert. Watanabe hatte zuvor von Kiyotake eine Entschuldigung verlangt. Kiyotakes Äusserungen seien «diffamierend», sagte Watanabe weiter.
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