Ein Jahr ohne Exekutionen
Zum ersten Mal seit 19 Jahren hat Japan ein volles Jahr ohne Hinrichtungen erlebt. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Land der Todesstrafe abgeschworen hat. Im Gegenteil. Ganze 129 Menschen warten auf in der Todeszelle auf ihre Hinrichtung, ohne weitere Chance auf Berufung. Das ist die höchste Zahl seit 1949. Ihre Haftbedingungen sind laut Amnesty International äusserst prekär (Asienspiegel berichtete).
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Die letzte Hinrichtung fand im Juli 2010 unter Justizministerin Keiko Chiba statt. Ihr damaliger Vollstreckungsentscheid überraschte, da sie eine erklärte Gegnerin der Todesstrafe galt. Als erste Justizministerin beobachtet sie selbst die Hinrichtungen und lud die Medien in die Exekutionsräume ein, in der Hoffnung eine Grundsatzdiskussion über die Todesstrafe auszulösen (Asienspiegel berichtete). Sie rief hierfür eine eigene Kommission ins Leben, die sich mit dem Für und Wider befassen soll.
Andere Prioritäten
Dass seither Exekutionen ausblieben, hat einerseits mit der regierenden Demokratischen Partei zu tun, die eine gewisse Distanz zur Todesstrafe hält. Andererseits spielen die ständigen Wechsel der Justizminister – seit dem Rücktritt Chibas wurde der Amtsträger innert weniger drei Mal ausgetauscht – wie auch die speziellen Umstände in diesem Jahr eine Rolle.
Das durch das Erdbeben vom 11. März ausgelöste Krisenjahr hat eine Folge von zahlreichen Sondersitzungen im Parlament zur Folge. Der Regierung fehlte schlichtweg die Zeit, um die Fälle der hängigen Todesstrafen genügend gründlich zu begutachten, wie Experten gegenüber der Mainichi Shimbun erklären.
Befürworter in der grossen Mehrheit
Auch der jetzige Justizminister Hideo Hiraoko scheint kein Freund von Todesstrafen zu sein. Von Vollstreckungen hat er bislang abgesehen, er hat sich aber auch nicht dagegen ausgesprochen. Genau wie Keiko Chiba fordert er aber eine nationale Debatte über die Todesstrafe. Hiraoka lud gar britische und französische Experten ein, die ihm erläuterten, wie ihre Länder die Todesstrafe abschafften.
Ob Japan tatsächlich einmal von der Todesstrafe absehen wird, ist fraglich. Laut Umfragen befürworten immer noch 85,6 Prozent der Bevölkerung diese strafrechtliche Massnahme. Der Anteil der Befürworter nahm in den letzten Jahren gar zu (Asienspiegel berichtete).
Aus diesem Grund wird Justizminister Hiraoka gerade von konservativen japanischen Medien und Opferfamilien hart dazu gedrängt, endlich die Vollstreckungen wieder aufzunehmen. Dieser verweist jedoch auf die von Chiba gegründete Kommission. Er wolle eine Entscheidung abwarten, bis deren Resultate bekannt sind.
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