Der Gaudi von Japan
Puma Mimi ist die Sängerin der japanisch-schweizerischen Elektropop-Band Tim & Puma Mimi. Für Asienspiegel schreibt sie über japanische Bands, Events und Kunst. Puma Mimi führt uns in eine Kultur Japans, die jung und angesagt und in Europa kaum bekannt ist.
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Fällt das Stichwort japanische Architektur, kommt einem sofort die lückenlose, minimalistische Bauweise von Kazuyo Sejima oder Tadao Ando in den Sinn. Als schnell und raffiniert gilt Japans Baustil. Doch es gibt auch japanische Architekten, die sich dem kompletten Gegenteil verschrieben haben.
Einer davon ist Keisuke Oka. Mitten in Tokio hat er sich ein kleines Grundstück gekauft, wo er seinen Traum aus Stahlbeton lebt. Mit seiner ganzen Leidenschaft baut er hier an einem einzigartigem Haus. Zusammen mit seiner Frau hat Oka in das einmalige Bauprojekt investiert. Von diesem Kapital zahlen sie sich regelmässig einen Lohn aus. 2005 begannen die Bauarbeiten.
Hier ist alles Handarbeit, von den Aushubarbeiten bis zur Betonmischung. Manchmal helfen ihm Bekannte, doch gewöhnlich ist Architekt Oka zugleich der einzige Bauarbeiter vor Ort. Ein Bauplan existiert nicht. Oka zieht es vor während der Arbeit zu improvisieren.
EIN JAHRELANGES PROJEKT
Diese Verwegenheit und Einzigartigkeit an Okas Projekt hat in der japanischen Welt der Architekten für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Das renommierte Architekturmagazin SD Review hat ihn gar ausgezeichnet. Ursprünglich wollte Oka bereits letztes Jahr fertig sein. Die Realität sieht anders aus. Erst seit ein paar Monaten hat er den ersten Stock vervollständigt. Nach Okas Einschätzung werden die Bauarbeiten mindestens 3 weitere Jahre andauern.
Auf den Entwurf folgt der Bau, auf den Gedanken die Bewegung: So lauten die Grundprinzipien der Architektur. Oka konnte nichts damit anfangen. In solchen Momenten erinnert er sich an seinen Lehrmeister Butoh. «Denken und dann bewegen? Nein! Beweg dich bevor du denkst! Und dann spüre es! Dann kannst du weiterdenken», pflegte er ihm zu sagen.
Die Distanz zwischen dem Denken und der Bewegung soll möglichst kurz sein. Oder anders gesagt: «Durchs Improvisieren soll der Bau lebendiger werden», erklärt mir Oka. Schäbig, unangepasst, aber lebendig. So soll für Oka ein Bauwerk sein.
DAS BESEELTE HAUS
Okas Haus trägt den Namen Arimasutonbiru. Ameise, Forelle, Schwarzmilan bedeutet dies. Gleichzeitig können die letzten beiden Silben Biru auf Japanisch als Gebäude verstanden werden. Oka liebte als Kind die Animeserie Babel II, in dem die Beschützer aus dem Wasser, der Luft und der Erde eine zentrale Rolle spielen.
Im Anime sind die Beschützer mutige Wesen, Okas Beschützer mögen weniger attraktiv sein, dafür sind sie voller Vitalität. Die Ameise von der Erde, die Forelle aus dem Wasser und der Schwarzmilan aus der Luft. Es sind Tiere, die seine Vorstellung des Bauens wiedergeben. «Ich stelle mir die Behausungen dieser Tiere vor und lasse meine Bauarbeiten dadurch inspirieren», sagt Oka.
In Tokio mag es fast keinen Platz für die Natur haben. Doch Okas beseelte Baustelle zieht in der Nacht die Tiere an. Regelmässig muss er Kröten vertreiben, die stets zurückkehren. Wiesel schleichen sich hier ein und dicke Regenwürmer schlängeln sich über die Baustelle. Schnecken und auch manchmal Krabben treffen sich hier im Sommer.
BETON IST SEIN MATERIAL
Sein Baumaterial ist der Stahlbeton. Es ist ein Material, das sich nicht umstossen lässt. Zieht man jedoch daran, ist er schwach. Diese Schwäche wird durch den eingegossenen Stahl kompensiert. Stahlbeton ist in unseren Augen das Gegenteil von Natur. Doch eigentlich besteht Beton aus den natürlichen Stoffen Kalk, Sand und Kies. «Stahlbeton ist ein von Menschen erschaffener Stein. Dieser besteht aus natürlichen Stoffen. Der aufwendige Herstellungsprozess sowie das Gefühl der Formbarkeit fasziniert mich», so Oka.
Gewöhnlich hat eine Betongussform eine Höhe von 2 Metern. Oka verzichtet jedoch auf den Gebrauch grosser Maschinen. Bei Oka sind es nur 70 Zentimeter Gussform. Das erlaubt ihm, das Stahlgerippe sorgfältiger einzubetten. Das Haus wird dadurch stabiler. Selbst das Grosse Erdbeben vom 11. März 2011 habe sein Gebäude ohne einen einzigen Riss überstanden, wie der Architekt versichert.
EIN REBELLISCHER GEIST
Okas Arimasutonbiru ist «ein träges, standhaftes und freies Gebäude». Selbst der Beton macht aus dem Haus keinen kalten Ort. Viel Liebe und Weisheit des Erschaffers sind hier eingeflossen. Wie auf einem Feld eines Bauern wächst sein Gebäude langsam heran. Mit Oka zeigt sich ein entschlossener rebellischer Geist, der das genaue Gegenteil der klassischen urbanen Wertvorstellungen Geschwindigkeit, Präzision und Cleverness verkörpert.
Zweifellos arbeitet Oka sehr langsam. Strapaziert er damit nicht die Geduld seiner Frau? Zumindest hat der Architekt eine gute Ausrede. Immerhin ist es ihm gelungen, den Grundstückspreis inmitten der Hauptstadt von 50 Millionen Yen auf unglaublich tiefe 15,5 Millionen Yen herunterzuhandeln. Wohl deswegen mag seine Frau die Geduld nicht verloren haben. Ich warte gespannt darauf, wie das Arimasutonbiru weiter gedeiht.
Tim & Puma Mimi ist eine Elektropop-Band bestehend aus dem Schweizer Produzenten Tim und der japanischen Sängerin Puma Mimi.
Seit 2004 komponiert und produziert Tim Songs und spielt Keyboard, Flöte sowie selbst gebaute Instrumente. Der Fruitilyzer, mit dem er Gurken elektrifiziert, ist ein Markenzeichen der Band. Puma Mimi schreibt dazu die Texte in ihrer Muttersprache.
Bis 2009 spielten Tim & Puma Mimi die weltweit ersten Skype-Konzerte: Mimi sang in den Laptop in der Küche ihrer japanischen Wohnung. Bild und Ton wurden via Skype in ein Konzertlokal in Europa übertragen. Da Mimi in Japan sozusagen keine Ferien hatte, war das die einzige Möglichkeit Konzerte zu spielen. Dieses aussergewöhnliche Live-Konzept fand viel Beachtung in den Medien.
Bis jetzt haben Tim & Puma Mimi mehr als 150 Konzerte auf der ganzen Welt gespielt – Skype und «echte» Konzerte. Ihr grössten Auftritte hatten sie im Womb Tokio 2007, am Paléo Festival Nyon 2009, Sonar Festival Barcelona 2010 und Montreux Jazz Festival 2010.
OFFIZIELLE WEBSITE: www.timpuma.ch
FACEBOOK: http://www.facebook.com/pages/Tim-Puma-Mimi/125410150826336?ref=ts
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