Eine unvergessene Tragödie
Am Dienstag gedachte Taiwan den tausenden von Opfern des 228-Massakers: Vor 65 Jahren schlugen chinesische Regierungstruppen einen Volksaufstand mit äusserster Brutalität nieder. Was unter dem jahrzehntelangen Kriegsrecht ein Tabu war, ist heute ein nationaler Feiertag. Bei vielen Taiwanern sitzt der Hass auf die Regierung aber immer noch tief. Derweil hinterfragt ein ehemaliger Premierminister die Anzahl der Opfer, und brüskiert damit die Hinterbliebenen.
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Was mit Schlägen gegen eine Frau begann, die unverzollte Zigaretten verkaufte, weitete sich kurz darauf in inselweite Aufstände gegen die Regierung aus. Chiang Kai-Shek, dessen Kuomintang auf dem Festland gegen die Kommunisten kämpfte, schickte Truppen nach Taiwan, die den Volksaufstand brutal niederschlugen. Das Massaker wird in Taiwan allgemein als 228-Zwischenfall bezeichnet, der für den 28. Februar 1947 steht. Den Ereignissen gingen Spannungen zwischen den neuen Machthabern vom chinesischen Festland – die die Insel nach dem Zweiten Weltkrieg von Japan übernommen hatten – und der einheimischen Bevölkerung voraus.
Experten sprechen von 18’000 bis 28’000 Todesopfern – darunter viele Mitglieder der damaligen taiwanischen Elite. Während des darauf folgenden Kriegsrechts waren die Geschehnisse jahrzehntelang Tabu. Erst in den neunziger Jahren entschuldigte sich der damalige Präsident Lee Teng-hui im Namen der Regierung offiziell für die Geschehnisse.
Gedenkfeier im 228-Friedenspark
Zum 65. Jahrestag gedachte vergangenen Dienstag die aktuelle Regierung im Taipeier 228-Friedenspark den Opfern des Massakers. Präsident Ma Ying-jeou entschuldigte sich bei den Hinterbliebenen. Die Entschuldigung, so Ma, gelte für alle politischen Verfolgten in Taiwan, auch für die Opfer während der Zeit in der Taiwan mittels Kriegsrecht regiert wurde.
Pan Ying-ren, dessen Vater während des Massakers erschossen wurde, sagte auf der Gedenkfeier, dass es mit der Wirtschaft auf und ab gehen könne, nicht jedoch mit den Menschenrechten. «Die Entwicklung der Menschenrechte sollte unbegrenzt sein», so Pan.
Ehemaliger Premierminister provoziert mit Opferzahlen
Neben der offiziellen Gedenkfeier, gedachten mehrere hundert Menschen mit einem Protestmarsch in Taipei den Opfern des Massakers, so die taiwanische Nachrichtenagentur CNA. Auf der von der Taiwan Nation Alliance und Taiwan 228 Care Association organisierten Kundgebung, protestierten die Teilnehmer auch gegen einen kürzlichen Kommentar des ehemaligen Premierministers Hau Pei-tsun. Dieser stellte in der chinesischsprachigen Tageszeitung United Daily News, die Zahl der Opfer in Frage. Es seien nicht mehr als 1000 Menschen während des 228-Zwischenfall ums Leben gekommen, so Hau. Sein Kommentar sorgte bei Angehörigen, Aktivisten sowie der Oppositionspartei DPP für Empörung.
Auch heute noch ist der 28. Februar für viele ein sensibles Thema. Dabei geht es nicht zuletzt um die nationale Identität und Spannungen zwischen den Festländern, die nach dem chinesischen Bürgerkrieg nach Taiwan kamen, und den Hokklo, jener Bevölkerungsgruppe, deren Vorfahren während den vergangenen Jahrhunderten aus Südostchina nach Taiwan übersiedelten.
Ans Eingangstor gekettet
Selbst während der offiziellen Gedenkfeier kam es zu Protesten: Kaum war die Ansprache von Präsident Ma Ying-jeou im 228-Park in Taipei vorbei, ketteten sich Demonstranten an ein Eingangstor des Parks. Der taiwanische Unabhängigkeitsaktivst Shi Ming sagte gegenüber Asienspiegel, die Taiwaner könnten die Vorkommnisse vor 65 Jahren nicht einfach so vergessen.
Der heute 93-jährige ehemalige Dissident, floh nach einem gescheiterten Attentatsversuch auf Chiang Kai-Shek Anfang der fünfziger Jahre nach Japan. Erst 1993 kehrte Shi Ming nach Taiwan zurück. «Viele Taiwaner bleiben den Gedenkfeierlichkeiten fern, weil sie immer noch voller Hass gegenüber der Kuomintang sind», sagt Shi. Erst wenn Taiwan offiziell unabhängig sei, könnten die Taiwaner in Würde leben.
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